Lesbische Kurzgeschichten

„Fantasien“ – erotische Literatur für frauenliebende Frauen … und andere?

„Fantasien“ ist eine Anthologie von Emi-Lu Darkwater, die es in sich hat: Anregend, nicht nur zum Nachdenken, sondern auch für Kopfkino. Bei ZEITjUNG bekommt ihr einen kleinen Vorgeschmack, welche queeren Frauen in „Fantasien“ gezeigt werden und was sie erleben. Und ob ihre Abenteuer sich lohnen!

Für „Fantasien“ hat Emi-Lu Darkwater zwanzig ihrer Kurzgeschichten zusammengestellt. Hier treffen und lieben sich queere FLINTA*. Neben einer trans* Frau werden auch verschiedene Körper präsentiert, zum Beispiel mit Bodyhair, und die Altersspanne ist ebenfalls groß – von 18 bis 40 kann sich jede*r identifizieren.

Schon von der ersten Seite an ist klar, das ist die Art von Stoff, die ich suche! Kein zu großes Eingehen auf Outing generell und Homosexualität allgemein, sondern vielfältige Geschichten. Gleich mit der ersten Geschichte zu einem Tanzkurs überzeugt die Anthologie mit lockerleichter Sprache wie im besten Chick-Lit-Roman. Warum muss auch queere Literatur immer gleich edgy sein? Zumal direkt das Herz von Fanfictionfans, die es ja gerne einmal romantischer haben, höher schlägt: So traumhaft ist ein Wiedersehen nach langer Zeit beim Tangotanzen – vielleicht ein wenig unrealistisch, aber trotzdem schön zu lesen!

Und wenn es schon nicht beim Tanzen klappt, dann vielleicht beim Kochkurs? Dabei muss es nicht immer gleich fast-vor-Heiratsantrag sein, eine Dateeinladung ist ja auch eine tolle Vorstellung. So macht der übergroße Verkaufsehrgeiz einer Sexshopverkäuferin oder, in einer anderen Geschichte, einer Boutiquenangestellten mehr Spaß beim Lesen. Eine Fantasie ist außerdem nicht immer zwangsläufig die große Liebe, sondern kann auch das Finden einer Sexbeziehung sein.

Fantasien

Tagträume

In erster Linie ist „Fantasien“ genau das: Ein Spiel mit verschiedenen Tagträumereien. Nur „ICE“ übertreibt es etwas mit einer Sexszene zwischen Fremden, in der nicht eindeutig nach Konsens gefragt wird. Wiederum ein halb ernst gemeinter Erpressungsversuch frägt explizit Konsens ab, was sehr schön eingearbeitet wurde.

Die Autorin hat sich dabei überwiegend einem Frauentypen gewidmet: Besonders stark werden Butches repräsentiert. Als „Butch“ wird allgemeinhin eine Lesbe bezeichnet, die sich maskulin mit beispielsweise kurzen Haaren und trainiertem Körper präsentiert. Ein anderes Label für queere FLINTA* ist Femme, zum Beispiel eine Lesbe, die sich weiblich präsentiert. Dass sie diese Kombination aus Butch/Femme aufleben lässt, gefällt, weil die breite Masse noch immer am liebsten von zwei super femininen „Lipstick Lesbians“ ausgeht. So, als ob Lesben vor allem Hetero-Männern gefallen müssten … Fans des japanischen Musicaltheaters werden sogar einen kleinen Hinweis auf die Takarazuka Revue finden, denn wie nach japanischem Vorbild ist eine Figur Teil eines (fast ausschließlich) weiblichen Musicalcasts. Das bedeutet, dass sehr viele Schauspielerinnen auch in dieser „Fantasien“-Geschichte burschikos aussehen.

Auch ist in „Fantasien“ das Thema „dominantes/devotes Verhalten“ in einigen Kurzgeschichten präsent. Zum Beispiel in Chatform. Offener Sextalk – so wichtig! Vor allem, wenn man eben solche Vorlieben hat.

Richtig meta wird es, wenn sich über einen queeren Roman unterhalten wird, der laut der Charaktere zu fantasiereich sei – dann aber Wirklichkeit wird. Einige Kurzgeschichten gehen ehrlich ans Eingemachte! Die Figuren haben alle ihre ganz eigenen Stimmen, mal nüchtern, mal quirliger. Da manche es aber sehr übertreiben, wäre im Sinne verschiedener Beleidigungen eine Triggerwarnung für „Enttäuscht“ toll gewesen! Obwohl diese Kurzgeschichte von Homofeindlichkeit handelt, folgt darauf ein wirklich sehr schönes und überraschendes Ende.

Emi-Lu Darkwater hat „Fantasien“ selbst veröffentlicht, aber professionell lektorieren lassen und auf den letzten Seiten befindet sich Buchwerbung für andere queere Romane (hauptsächlich über männerliebende Männer). Die Autorin, die in Mannheim geboren wurde und in Essen lebt, gibt zwischen ihren Geschichten einigen Illustrationen Raum, die Robyn Labod angefertigt hat. Diese sind sowohl romantisch als auch verrucht. Eine Illustration zeigt beispielsweise ein engumschlungenes Lesbenpärchen, bestehend aus einer sich weiblich präsentierenden Lesbe und einer stark tätowierten Butch. Bei den Illustrationen sind auch WoC mitgedacht.

Das Cover stammt übrigens  von Florin Sayer-Gabor. „Fantasien“ ist im März 2022 erschienen und auf ihrem Instagramkanal kann man verfolgen, wie die Autorin weitere queere Geschichten plant. „Fantasien“ füllt definitiv eine Lücke auf dem Buchmarkt mit seiner Vielfalt an lesbischen Geschichten und ist auf jeden Fall das Schmökern wert!

Mehr zu queeren Themen?

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Isi Parente auf Unsplash; CC0-Lizenz