„(Fast) Alles Einfach Erklärt“: Mit Niklas Kolorz vom Ursprung des Universums bis zur Marsmission

Ody: Streit war schon immer Teil der wissenschaftlicher Debatte – zum Beispiel zwischen den Vertretern der Urknalltheorie und auf der anderen Seite der Steady State Theory. Der heutige Diskurs fühlt sich aber doch eine Schippe anders an, was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen damals und heute?

Niklas: Bei gewissen Streitfragen scheiden sich einfach die Geister der Wissenschaft und dann gibt es so wie damals Datenlagen, die unterschiedlich interpretiert werden. In der Astrophysik geht es heute etwa um die „Dunkle Materie“, die viele Fragen aufwirft: Existiert das überhaupt? Was steckt dahinter? Müssen wir vielleicht sogar die Relativitätstheorie über den Haufen werfen und die Beziehung zwischen Masse und Anziehungskraft anders erklären? Neben der Debatte, die in der Wissenschaft geführt wird – da hat sich meiner Meinung nach nicht so viel verändert – haben wir aber auch die öffentliche, wo auch Laien und Menschen, die interessiert sind, mitdiskutieren können.

Ich habe erst letztens ein Video über den Urknall hochgeladen und die Leute diskutieren Feuer und Flamme in den Kommentarspalten, was halt die Frage aufwirft, auf welche Infos die sich eigentlich berufen. Das kann auch dann zum Problem werden, wenn wir eigentlich noch mehr Daten brauchen, um eine wissenschaftliche Theorie zu bestätigen. Die Leute wollen halt eindeutige Aussagen – „Ja sag doch jetzt mal, ist der Urknall passiert oder nicht?!“ (lacht) – und die Antwort darauf ist eben „Ja, wahrscheinlich, aber das muss man erst noch mit mehr Daten abgleichen“. Dieser öffentliche Diskurs ist meiner Einschätzung nach vermutlich nochmal ganz anders und extremer als vor 80 oder 100 Jahren.

Ody: Du gehst auch auf den Einfluss ein, den Fake News haben können – als Beispiel dient hier die Schmutzkampagne von Exxon Mobil zur Klimakrise. Was macht den Umgang mit „alternativen Fakten“ deiner Meinung nach am schwierigsten?

Niklas: Zum einen gibt es diesen „Rabbithole“-Effekt, wenn man einmal anfängt, zu zweifeln. Auf der einen Seite ist es wichtig, auch Dinge anzuzweifeln, das ist ja auch irgendwo Teil der Wissenschaft. In meinem Buch schreibe ich zum Beispiel auch über die Theorie der Flat-Earther, die sagen, die Erde sei flach. Ihre Herangehensweise ist dann halt leider ein bisschen eine andere. Da wird das Ergebnis genommen und gesagt: „Das wollen wir mit Wissenschaft beweisen!“, woraufhin sich Experimente ausgedacht werden, die das bestätigen sollen. Witzigerweise scheitern sie auch häufig daran, in ihren Experimenten nachzuweisen, dass die Erde flach ist, weil… sie eben nicht flach ist. (lacht).

Die Fake-News-Debatte fand ich im Fall von Exxon ebenfalls interessant, weil sie zeigt, woher viele dieser Informationen kommen, die Leute als gegeben ansehen und in dieser Klimakrisendiskussion auftauchen. Dementsprechend auch, um Leuten einen kritischen Blick beizubringen – „Ist das, was ich lese, wirklich mit einem guten Inhalt bestückt oder steckt da vielleicht jemand hinter, der ein wirtschaftliches Interesse daran hat, gegen die Bekämpfung der Klimakrise vorzugehen; gegen die Energiewende, gegen den Weggang von Öl und Gas?“. Und das ist an diesem Beispiel eben ziemlich eindrucksvoll aufzuweisen und dank der Arbeit von vielen Journalist*innen auch schon alles aufgedeckt worden. Viele Misskonzeptionen über die Klimakrise, die man so am Essenstisch oder bei Weihnachtsdiskussionen mit der Familie hört, gehen vermutlich damit einher.

Ody: Du gibst auch einige Beispielargumente von Leugner*innen der Klimakrise in deinem Buch an und auch, was man darauf erwidern kann. Könntest du uns da eine kleine Kostprobe davon geben?

Niklas: Eine Sache, die ich sehr spannend finde, ist die Frage „Wer produziert eigentlich mehr CO2, wir oder die Natur?“. Da gibt es nämlich dieses Argument, Vulkanausbrüche und Co produzieren ja viel mehr Kohlenstoff als wir. Das stimmt an sich und das ist eben auch die Krux bei diesem Argument: Die Natur produziert jährlich so ungefähr 750 Gigatonnen CO2 und wir Menschen „nur“ 36 Gigatonnen, das ist natürlich ein riesiger Unterschied. Das Ding ist aber – in Germany we call it „Kohlenstoffkreislauf“ (lacht), also das von der Natur ausgestoßene CO2 wird auch von der Natur, den Wäldern und Meeren, wieder herausgefiltert.

Aber unsere 36 Gigatonnen kommen da obendrauf und bringen dieses System aus dem Gleichgewicht. Dieses Argument kommt nicht unbedingt immer von Leugner*innen, aber einfach Kritiker*innen, die sagen „Ja, ob der Mensch das jetzt alleine verantworten kann?“. Ja, das können wir – dadurch, dass wir eben diese Balance aus dem Gleichgewicht bringen. Gleichzeitig holzen wir die Wälder unseres Planeten in einem Rekordtempo ab, heißt wir verbrennen die Kerze gerade an zwei Enden – wir produzieren mehr CO2, als die Natur aufnehmen kann und zerstören die Ökosysteme, die dafür verantwortlich sind, das CO2 wieder aus der Atmosphäre zu saugen.

Ody: Das notiere ich mir dann einmal für den nächsten gemeinsamen Esstisch mit der Familie. Vielen Dank für das Interview!

Niklas findest du auf TikTok, Instagram und YouTube. Zu seinem neuen Buch „(Fast) Alles Einfach Erklärt“ (auch als Hörbuch erhältlich) geht’s hier lang.

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Bildquelle: Niklas Kolorz (Privat)