Hauptsache schön: Immer mehr Schönheitseingriffe bei jungen Menschen
Seit Jahren steigen die Zahlen für Schönheitseingriffe. Bereits im Jahr 2020 verzeichnete Deutschland 425.855 Schönheitsoperationen und ist damit eines der führenden Länder, wenn es darum geht, sich aus optischen Gründen operieren zu lassen. 85,5 Prozent davon sind Frauen. Fettabsaugung, Brustvergrößerungen und nicht-operative Eingriffe wie Botox und Hyaluron zählen zu den beliebtesten Eingriffen. Jeder, wie er mag. Doch macht dieser Trend auch vor jüngeren Generationen keinen Halt. Wenn bereits Zwanzigjährige ihre Falten wegspritzen lassen, dann darf und sollte man diese Tendenz zumindest einmal kritisch beleuchten. Passiert das alles so freiwillig? Woher kommt die generelle Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen?
Grund sei mitunter Social Media mit seinem hohen Filteraufgebot und den schier endlosen Vergleichsmöglichkeiten. Aber auch das Arbeiten im Homeoffice und seinen Videokonferenzen lenken den Fokus auf das Gesicht. Patient*innen kommen vermehrt mit eigenen bearbeiteten Fotos in die Praxen, um ihr Gesicht entsprechend der Vorlage behandeln zu lassen. Allein im Jahr 2021 sind die Behandlungen von minimalinvasiven Therapien im Vergleich zum Vorjahr um dreizehn Prozent gestiegen. Diese Zahl beruht auf einer Befragung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen, VDÄPC.
In einer weiteren Studie gaben rund 23 Prozent der Befragten unter zwanzig Jahren an, dass das Konsumieren von Social Media den Wunsch nach einer Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes verstärkt hätte. Instagram und Co beeinflussen maßgeblich die eigene Zufriedenheit. Damit einhergehende negative Auswirkungen wie Depressionen, Angstzustände bis hin zu Suizid sind längst kein Geheimnis mehr.
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im Filterland?
Auf Social Media ist es schwer zu unterscheiden, was echt und was nicht echt ist. Diesen Unmut verstärken mitunter Filter. Sie verändern unsere Wahrnehmung und schlagen eine Kluft zwischen dem, was gezeigt wird und dem, was tatsächlich ist.
Eine Petition, geleitet von der Aktivistin Silvi Carlsson, sagt jetzt den umstrittenen Beautyfiltern den Kampf an. Um zumindest einen Schritt in Richtung #mehrrealitätaufinstagram zu machen, fordert die Unterschriftenaktion eine Kennzeichnungspflicht für Filter. Diese soll vor allem Influencer betreffen, die eine hohe Reichweite besitzen, mit Social Media Geld verdienen und somit eine gewisse Verantwortung gegenüber ihren Follower*innen tragen. Insgesamt konnte die Petition über 4.000 Unterschriften sammeln. Ob sie von der politischen Agenda umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Am Ende sind Vorhaben wie dieses ein Schritt in die richtige Richtung. Doch wird damit noch kein richtiges Umdenken in die Wege geleitet.
Reflektieren, dann Handeln
Jeder sollte mit seinem eigenen Körper tun und lassen dürfen, was er möchte. Doch zu dieser Freiheit gehört auch, dass man sich dem von außen kommenden Druck bewusst ist. Erst dann ist man auch in der Lage, ihn zu hinterfragen und sich schließlich bewusst dafür oder dagegen zu entscheiden. Entscheidend hierbei ist die Fähigkeit zur Reflexion. Bevor man sich derlei Behandlungen unterzieht, sollte man sich vorher also auch immer fragen, warum man auf einmal mit den Lippen unzufrieden ist, den Augenlidern, der Nase, der nicht vorhandenen Thigh Gap. Macht man das für sich oder für die anderen? Und ist man zufrieden, sobald man den vermeintlichen Makel beseitigt hat, oder kommt dann eine neue Stimme, die sagt, hier und da könnte man noch etwas ausbessern?
Es ist doch denkbar, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Erscheinungsbild Symptom einer tiefer liegenden Ursache ist, die nicht einfach verschwindet, nur weil man jetzt die perfekten Lippen hat, den perfekten Body, die perfekt geglättete Haut.
Kommt Zeit, kommt Rat
Vielleicht braucht die Entwicklung des eigenen Selbstwertes aber auch einfach Zeit und ist mit Anfang zwanzig eben noch nicht vollends ausgebildet. Das Wissen darüber, dass man Tendenzen standhalten kann, nicht jeden Trend mitmachen muss und es eine Schönheit gibt, die im Unperfekten liegt, oder gar außerhalb des rein Optischen, bildet sich erst mit der Zeit heraus. Doch anstatt sich diese Zeit zu geben, wird die pubertäre Phase einfach bis ins hohe Alter getrieben. Gerade im Alter sollte man seine Falten aber doch eigentlich mit Stolz tragen dürfen.
Ich meine, wem will man etwas vormachen? Wir werden alle älter und wir werden alle sterben. Vielleicht würde es etwas bringen, wenn man das Älterwerden und den Tod nicht mehr derart tabuisieren würde. Stattdessen negieren wir ihn und halten das Älterwerden für eine Sache, die unbedingt kaschiert werden muss. Wir setzen Schönheit über den Charakter und tragen so eigens dazu bei, dass unsere Gesellschaft so oberflächlich bleibt, wie sie ist.
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