Menschen feiern Gottesdienst. Bild: Unsplash

Freikirchen: Von Partys und Jesus

„Celebrations“ in der freien Gemeinde

Ein großes Anliegen der Gemeinde, in der Markus Mitglied ist, ist es, junge Menschen und Leute zu erreichen, die bisher noch keinen Bezug zur Religion hatten. Dies wird auch mit der Verwendung von Anglizismen versucht. Mitglieder der Freikirche gehen nicht in die Kirche, sondern in die „Church“ und feiern „Celebrations“, also Gottesdienste. Nach der Aussage von Markus soll das klassische, christliche Vokabular damit vermieden werden, um so dem verstaubten und langweiligen Image der Religion entgegenzuwirken. Dabei soll auch ganz bewusst deutlich werden, dass die Gottesdienste auch wirklich „gefeiert“ werden und die Kirche dabei ein Ort der Freude ist, in dem die „Celebrations“ zeitgemäß durchgeführt werden, was auch Markus dazu bewegt hat, Mitglied in dieser Gemeinde zu werden. Mittlerweile leitet und organisiert er auch Gottesdienste in Kleingruppen, in denen junge Menschen zusammenkommen, um gemeinsam über ihren Glauben und den Einfluss, den dieser auf ihr Leben hat, zu sprechen. Diese Zusammenkünfte finden dabei nicht nur am Sonntag statt. Auch unter der Woche trifft man sich zu Kursen und Seminaren, in denen der Glaube im Vordergrund steht.  

Kirche im 21. Jahrhundert: Zwischen progressivem Denken und Tradition

Die Freikirchen sehen sich ebenfalls mit Vorurteilen konfrontiert. Die häufigsten sind dabei, dass es sich bei den Gemeinden um eine Sekte handelt oder dass diese den sehr konservativen religiösen Strömungen wie etwa US-amerikanischen Evangelikalen zuzuordnen sind, die bekanntlich auch Donald Trump sehr nahestehen. Und obwohl mein Kommilitone das Gefühl hat, dass diese Klischees mittlerweile nicht mehr so viel Einfluss auf das Denken der Menschen haben, ist er unzufrieden über diese Vorurteile. Denn an der Politisierung von Religion sehen sowohl mein Kommilitone als auch ich selbst ein großes Problem. Verständlich, dass man nicht mit Trump-Befürworten in Verbindung gebracht werden möchte. „Es sollte auch überhaupt das richtige Maß zwischen Liberalität und Konservativität gelebt werden“. Auch wenn dabei häufig vor allem in der Ehe klassisch-christliche Werte gelebt werden (der Mann gilt dabei oft als das Oberhaupt der Familie und Partnerschaftsmodelle wie beispielsweise Polyamorie werden entschieden abgelehnt), ist Markus der Meinung, dass sich seine Kirche Menschen mit anderen Lebensentwürfen gegenüber öffnen sollte. Dabei ist mir persönlich auch aufgefallen, dass wir uns beide in unseren kirchlichen Gemeinden häufig mit den gleichen Problemen konfrontiert sehen. So sieht Markus auch den Umgang von einigen freikirchlichen Gemeinden mit anderen sexuellen Identitäten kritisch. „Wenn wir uns nach Jesus richten, dann sind benachteiligte Minderheiten ja genau die Menschen, auf die wir achten müssen“. Das stimmt natürlich. Wir sind uns schnell einig, dass in unseren beiden Gemeinden in diesem Punkten noch großer Nachholbedarf besteht. Wie sich die verschiedenen Freikirchen nämlich konkret zu anderen sexuellen Lebensentwürfen beziehen, ist oft etwas unklar. Häufig positionieren sich die Gemeinden nicht zu dem Thema, da über andere sexuelle Orientierungen nicht gesprochen wird und manchmal ist durchaus auch eine große Ablehnung gegenüber Abweichungen vom traditionellen Familienbild spürbar.