
Freundschaften am Arbeitsplatz werden zur Rarität, doch woran liegt das?
Geh einmal in dich und stell dir folgende Frage: Hast du eigentlich wirklich Freunde auf der Arbeit? Nicht auf eine Art „Jeder für sich“-Mentalität oder aus Konkurrenzdenken, sondern rein menschlich betrachtet. Wenn dir trotzdem niemand einfällt, dann geht es dir wohl ähnlich wie vielen anderen: In der Arbeitswelt gibt es nämlich immer weniger zwischenmenschliche Nähe; Freundschaften am Arbeitsplatz brechen dabei weg. Die Folgen spüren nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Firmen.
Eine Auswertung von Gallup zeigt: Nur noch 20 Prozent der Beschäftigten in den USA haben einen besten Freund im Job. Aktiv gepflegt wird diese Verbindung sogar nur von jedem Fünften. Dabei täten Firmen eigentlich gut daran, diese zu begünstigen – enge Kontakte unter Kolleg*innen wirken nämlich wie ein Motivationsmotor, berichtet Fast Company.
Wer Freunde auf der Arbeit hat, kündigt seltener
Der Verlust von Freundschaften trifft Firmen direkt: Wer im Job keine engen Arbeitskolleg*innen hat, fühlt sich schneller einsam, meidet die Zusammenarbeit und kündigt häufiger. Lange hieß es, schlechte Chefs seien der wichtigste Kündigungsgrund, doch der Oxford-Professor Jan-Emmanuel De Neve hält dagegen.
De Neve meint: Menschen verlassen ihren Job häufig, weil sie sich im Team nicht zugehörig fühlen.
Die Pandemie hat diesen Trend nur noch weiter verstärkt. Weil viele aus dem Homeoffice arbeiten mussten, nahm der gemeinsame Alltag mit Kolleg*innen ab: Gespräche am Kaffeeautomaten und in der Kantine fielen aus, anstelle von Gesichtern sahen wir nur noch E-Mails und Chatnachrichten.
Darauf folgte die „Great Resignation“ – das „Große Aufgeben“: Millionen Menschen verließen ihre Jobs. Der Rückgang enger persönlicher Bindungen ist laut Fast Company ein entscheidenden Auslöser hierfür gewesen.
Hybride Arbeit hilft da leider auch nicht: Viele sitzen dann allein im Büro und wählen sich trotzdem per Zoom in Konferenzen ein. Dazu kommt der Fokus auf Einzelleistung. Gemeinsame Ziele verlieren an Gewicht, Nähe geht verloren.
Ohne Freunde sinkt die Motivation am Arbeitsplatz
Fehlen die Freund*innen am Arbeitsplatz, arbeiten Teams weniger kreativ. Mitarbeiter*innen fühlen sich nicht verbunden. Der Umfrage zufolge steigern Freundschaften zudem die Motivation und Zufriedenheit:
- Wer Freunde am Arbeitsplatz hat, zeigt 43 Prozent mehr Engagement und ist 27 Prozent zufriedener.
Der Psychiater Robert Waldinger, Leiter der Harvard Study of Adult Development, erklärte dazu dem New York Times Magazine:
Die klarste Botschaft aus 75 Jahren Forschung lautet: Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder. Punkt.
Mit kleinen Begegnungen ist schon viel gewonnen
Dabei können kurze Kontakte schon einen großen Unterschied machen. So sagt die Psychologin Sonja Lyubomirsky von der University of California: „Gespräche mit Menschen machen uns glücklich.“
Der Glücksforscher Ed Diener stellte zudem fest: Besonders zufriedene Menschen leben nicht nur erfolgreich, sondern auch stark sozial eingebunden.
Führungskräfte dürfen das Thema nicht dem Zufall überlassen, ganz im Gegenteil: Sie sollten Platz für feste Begegnungen machen – Teamtage, kurze Check-ins oder gemeinsame Projekte sind einige Beispiele dafür. In hybriden Teams helfen thematische Kanäle für gemeinsame Interessen und geplante Bürotage.
So ließen sich Freundschaften am Arbeitsplatz konkret fördern
- In-Person-Tage festlegen: Bereits zwei gemeinsame Teamtage im Monat schaffen Raum für Austausch.
- Rituale pflegen: Ein wöchentlicher Check-in von 15 Minuten kann schon reichen, um den Zusammenhalt zu stärken.
- Ziele gemeinsam setzen: Pro Quartal ein Projekt angehen, das mehrere Teams verbindet. Dessen Ergebnisse offen teilen.
- Interessen fördern: Kanäle für Themen wie Sport oder Kochen eröffnen, ergänzt durch kleine Präsentationen.
- Beziehungen messen: Vierteljährliche Mini-Umfrage zum Zugehörigkeitsgefühl, Austausch und Teamhilfe.
- Vorbild sein: Führungskräfte machen mit, hören zu und geben allen Stimmen Raum.
Freundschaften am Arbeitsplatz sollten ein wertvoller Bestandteil der Unternehmenskultur sein und nicht nur eine nette Dreingabe. Firmen, die ihren Mitarbeiter*innen den Aufbau engerer Bindungen ermöglichen, sind nicht nur produktiver – sondern auch attraktiver für neue Arbeitskräfte.
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Bildquelle: Vitaly Gariev auf Unsplash, CC0-Lizenz