Sebastian Schramm Krebs Kolumne

Fürs Erste Krebs: Episode #11

Stille. Seine Aussage blieb stehen. Keine Erklärung, keine Einordnung, nichts. Innerlich fing ich an zu beben. Er brachte mich aus der Fassung. Wie Anfang April 2016, als ihn die Ärzte entdeckten, er mein ganzes Leben mit der Leichtigkeit eines Schnippsens veränderte. Für Sekunden spürte ich Ohnmacht. Dieses Mal aber blieb es beim Anflug des Schocks. Ich erinnerte mich zurück, an den ersten Morgen im Krankenhaus, den Optimismus, den Tatendrang, die Naivität und der Eifer. Die mich erst in die vielen Kämpfe trieben, die wir seitdem ausgefochten hatten. Und hatte ich nicht immer gewonnen; stets die Worte der Ärzte im Kopf, ich würde an einem Krebs leiden, den statistisch neun von zehn Patienten überlebten? Er war der, der zugrunde ging. Er war der, der gegen mich verlor. Er musste mir leid tun. In ein paar Monaten, dachte ich, würden nur noch Narben von ihm zeugen, die Erinnerungen, schmerzhaft, die jedoch mit jedem Tag ohne seine Anwesenheit nachließen, vom Schönen verdrängt. Ich lernte über das Leben. Über Freundschaft. Über Familie. Über mich selbst. Die Frage nach dem Warum konnte doch Sinn ergeben – ebenso ihm zu verzeihen.

„Wissen Sie, ich sollte Ihnen dankbar sein. Das macht es leichter. Immer wieder haben Sie mich gebrochen, für ein paar Minuten, Stunden, manchmal sogar Tage. Und Sie werden es noch öfter tun, auch über Ihre Anwesenheit hinaus. Aber durch Sie weiß ich, was ich alles durchstehen kann. Mein Leben hat sich verändert, in vielen Dingen zum Positiven. Danke.“

„Herr Schramm, ich will Sie töten. Und wenn nicht jetzt, dann später. Dankbarkeit zeugt von Dummheit.“

Ich hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Ich ging rein ins Café, bezahlte mein Getränk und ging an ihm vorbei in Richtung nach Hause. „Sie können mich nicht ignorieren“, schrie er.