Gaslighting: Wenn man von nahestehenden Menschen manipuliert wird
Wie heißt es so schön? Liebe macht blind. Wenn die Sehnsucht nach der Nähe eines Menschen so groß wird, dass der Verstand nahezu komplett vernebelt, können Außenstehende manchmal nur verständnislos mit dem Kopf schütteln. Dabei muss immer der Spagat gewahrt werden: Wie sehr darf man sich in den warmen Armen der Liebe verlieren und wie sehr muss auf die leise Stimme aus der hintersten Ecke des Kopfes gehört werden? Schließlich ist es doch zu einem gewissen Grad auch der Sinn der Liebe sich einfach fallen zu lassen. Doch was, wenn genau diese Blindheit schamlos ausgenutzt wird und der*die Partner*in so sehr manipuliert, dass man vor lauter rosaroten Luftschlössern nicht mehr zwischen Realität und Einbildung unterscheiden kann? Wenn man einem manipulativen Menschen mehr glaubt als dem eigenen Verstand?
Die Geister der jungen Bella
Das verregnete London im 19. Jahrhundert. Die junge Bella hat ihr großes Glück gefunden und zieht mit ihrem Ehemann Gregory zusammen in eine ganz eigene Wohnung. Doch während der Regen so auf das Dach prasselt, schreckt sie zusammen. Da war noch ein Geräusch – eine Art… kratzen? Es klingt fast so, sie will es gar nicht aussprechen, als würde ein Fremder auf dem Dachboden auf und ab gehen. Dabei ist dieser doch verschlossen? Und dann sind da noch die ganzen Dinge in ihrer Wohnung, die verschwinden und an Orten wieder auftauchen, wo Bella sie nie vermutet hätte. Sie schreckt zusammen, als die mit Gas gespeiste Zimmerlampe anfängt zu flackern. Wird sie… nein, ist sie auch schon verrückt wie ihre Mutter? Wird sie auch bald die vier Wände einer Nervenheilanstalt ihr Zuhause nennen müssen?
Doch es kommt alles anders. Der Mensch, dem Bella am meisten vertraute, ist der Grund für die spukenden Geister in ihrem Kopf. Ihr Ehemann Gregory wollte sie mit rätselhaften Vorfällen in den Wahnsinn treiben, um an ihr Erbe zu kommen. Nachts schlich er ohne Bellas Wissen auf der Suche nach einem Schatz auf dem Dachboden herum – es war also keine Einbildung. Und das Flackern der Lampen im Haus? Erfolgte immer dann, wenn er bei seiner Suche das Gaslicht einschaltete.
Gaslighting
„Gas Light“ heißt das dazugehörige Theaterstück, welches 1938 in London Premiere feierte und später als Drama verfilmt wurde. Basierend auf dem Titel entwickelte sich der Begriff des „Gaslightsings“. Es umschreibt die Verhaltensweise eines Menschen, der bewusst und gezielt die Selbstwahrnehmung eines anderen Menschen mithilfe von Lügen oder Unterstellungen versucht zu manipulieren. Fällt diese Taktik zu Beginn einer Beziehung (oder Freundschaft) noch vermehrt auf, wird es über die Zeit für Opfer immer schwieriger zwischen Realität und Lüge zu unterscheiden. Oft suchen sie dann nicht mehr bei ihrem Gegenüber, sondern bei sich selbst den Fehler und driften dabei in psychische Probleme ab. Dieses Verhalten des Täters, der auch „Gaslighter“ genannt wird, geht häufig mit einer narzisstisch ausgeprägten Persönlichkeit einher. Menschen dieses Schlages „leiden“ oftmals selbst unter einem geringen Selbstwertgefühl und wollen andere emotional abhängig von sich machen – eine Art Machtspiel. Im Fachjargon sprechen Experten allerdings nicht von „Gaslighting“, sondern „invalidierender Kommunikation“.
Gaslighter erkennen
Das kann gerade als Opfer schwer werden – gerade, wenn die toxische Beziehung schon länger anhält und man sich zu lange in den Fängen des „Gaslighters“ befand. Eine verlässliche Quelle können andere nahestehende Menschen sein. Es empfiehlt sich, die eigenen Gedanken mit ihnen zu teilen und im Idealfall aus Gesprächen mit verschiedenen Personen eigene Schlüsse zu ziehen. Um selbst einen „Gaslighter“ zu enttarnen, kann es auch helfen, die Verhaltensweisen des Gegenübers genauer unter die Lupe zu nehmen. Sechs typische Taktiken, mit denen ein „Gaslighter“ an Macht gewinnt, sind auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales zu finden.
- Lügen („Liebling, natürlich war ich gestern die ganze Nacht zu Hause!“)
- Unterstellungen („Du bist so nervös: Hast du schon wieder was getrunken, mein Schatz?“)
- Erfundene Vorwürfe („Du flirtest ständig mit dem Nachbarn!“
- Manipulation und Leugnen „Herr Meier, kein Mensch war an Ihren Daten!“)
- Vorgeschobene Sorge („Lena, du wirkst so unkonzentriert in letzter Zeit. Geht es dir schlecht?“)
- Vermeintliche Fürsorge („Mäuschen, wenn du dich zu dick fühlst, bleib lieber zu Hause. Dann lachen dich die anderen nicht aus.“)
Um Muster besser zu erkennen, kann ein Tagebuch helfen. Bei Unsicherheiten kann nachgelesen werden, wie sie sich die Beziehung zu einem Menschen (die nicht immer romantischer Natur sein muss) entwickelt hat.
In manchen Fällen ist es aber auch am besten sich direkt von Experten unterstützen zu lassen, wie beispielsweise einer*einem Psychotherapeut*in.
Am Ende sollte es ohnehin vor allem auf eine Sache hinauslaufen: Halte dich fern von einem Menschen, den du als „Gaslighter“ enttarnt hast. Dein Leben ist zu wertvoll für Menschen, die dich missbrauchen, um einzig und allein ihr Ego zu pushen.
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Bildquelle: Photo by Steinar Engeland on Unsplash