Genre Guide: Was ist eigentlich Rock’n’Roll?

Wenn der Beat in unseren Ohren dröhnt, sich Gänsehaut ankündigt und unsere Füße anfangen zu zappeln, dann möchten wir sie am liebsten auf ewig hören – diese Musik. Aber was hören wir da eigentlich? Unser Genre Guide hilft dir weiter. Alle zwei Wochen erklären wir dir einen anderen Musikstil. Dieses Mal gibt es Rock’n’Roll auf die Ohren.

Eine Aula, irgendwo in den USA der 1950er Jahre. Schummriges Licht. Bewegungsdrang ergreift den Raum, Hormone fliegen durch die Luft. Es rumpelt und fiept, als die Band auf der Bühne ihre Instrumente vorbereitet. Doch dann, mit einem Mal, ist alle Stille und Förmlichkeit verflogen. Die Musik hat nun das Zepter in der Hand, nimmt die Körper hunderter Teenager in Beschlag. Manchmal bedarf es wenig, um Magie zu entfalten. Im Falle des Rock‘n‘Roll nur ein paar Akkorde.

Rock’n’Roll: die Definition

Rock‘n‘Roll bedeutet wörtlich übersetzt „Schaukeln und Wälzen“. In der afroamerikanischen Umgangssprache war „to rock and roll“ allerdings eine alternative Bezeichnung für Geschlechtsverkehr. Das wird deutlich, wenn man sich den Songtext früher Blues-Stücke wie Rock Me Mamma (1944) von Arthur Crudup anschaut, wo es unter anderem heißt: „Why don‘t you rock me, can‘t you all night long?“ und „I know you women wonder what it‘s about / If you rock Crudup, girl you‘re gonna soon find out“. In seiner heutigen Bedeutung bezieht sich der Begriff jedoch viel mehr auf die spezifische Musik des Genres Rock‘n‘Roll sowie das dazugehörige, von einer besonderen Energie und Freizügigkeit geprägte Tanzen. Darüber hinaus steht Rock‘n‘Roll auch für die (dank der Musik) in den 1950ern und 1960ern aufkeimende Jugendkultur, die von einem großen Aufbegehren und dem Wunsch, sich von der Elterngeneration abzugrenzen, gekennzeichnet war. Rock‘n‘Roll stand für eine Abkehr vom Biederen, vom Spießertum und vom Heimatfilm. Der bekannte „Star Club“ in Hamburg, in dem die Beatles in den frühen 1960ern ihre ersten größeren Auftritte hatten, warb damals zum Beispiel mit folgendem Plakat: „Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei.“

Die klassische Rock‘n‘Roll-Instrumentierung speist sich aus Gesang, Gitarre (eine Lead- und eine Rhythmus-Gitarre), E-Bass bzw. Kontrabass und Drums. Unter Umständen wird dieses Gespann noch von einem Piano und/oder Bläsern (vor allem Saxophon und Posaune) unterstützt. Typisch bei Rock‘n‘Roll-Songs ist ein 4/4-Takt, der besonders schnell und „rau“ vorgetragen wird. Dafür sorgen vor allen Dingen zwei Komponenten: Ein Riff, das in der Regel von der Gitarre oder dem Kontrabass stammt, sowie treibende Drums.

Rock‘n‘Roll zeichnet sich daher durch einen sehr dynamischen, „aufmüpfigen“ und tanzbaren Sound aus. Dies spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, wie zu Rock‘n‘Roll-Songs getanzt wird. Die Tanzschritte sind schnell, der Mann „wirbelt“ die Frau hin und her, wirft sie manchmal gar in die Luft.

Verwandt und verschwägert

Der Sohn von: Country

Beste Freundin: Blues

Hassliebe: Heartland Rock

Der kleine Cousin von: Rhythm’n’Blues

Können sich nicht ausstehen: Punk

Verwechslungsgefahr mit: Rockabilly

Rock’n’Roll: der Ursprung

Der erste Mensch, der den Ausdruck Rock‘n‘Roll explizit als Beschreibung für eine bestimmte Art von Musik verwendete, war höchstwahrscheinlich der US-amerikanische DJ Alan Freed. Er benutzte die Textzeile „Rock, rock, rock everybody, roll, roll, roll everybody“ des Songs Rock-a-Beatin-Boogie von Bill Haley & his Comets in den 1950ern als Jingle für seine Radioshow Moondog Rock and Roll House Party. Entgegen damaliger Konventionen spielte Freed in seiner Show sowohl Musik von weißen als auch schwarzen Interpreten. Musiker wie Little Richard, Buddy Holly, Elvis Presley und Chuck Berry wurden so zu den ersten großen Namen dieses neuartigen Genres. Da die Wurzeln des Rock‘n‘Roll im Country, Rhythm‘n‘Blues und Jazz liegen, sahen sich viele Künstler im kulturellen Sinne Anfeindungen ausgesetzt. Während die einen Elvis Presley beispielsweise als eine Art „Integrator“ sahen, beschuldigten ihn nicht wenige aufgebrachte US-Bürger dafür, dass er „nigger music“ verbreite.

Der klassisch „raue“ Rock‘n‘Roll wurde ab den frühen 1960ern zunehmend von „weichgespültem“, poppigeren Rock‘n‘Roll unterwandert, wie ihn beispielsweise Interpreten wie Frankie Avalon verkörperten. Auch einige bereits bekannte Rock‘n‘Roll-Größen schlugen diese Richtung ein, etwa Elvis Presley mit Balladen wie Are You Lonesome Tonight und It‘s Now or Never (beide 1960). Vor allem britische Bands sollten es in den 1960er- und 1970er-Jahren sein, die dem Rock‘n‘Roll wieder einen raueren Ton gaben und seine Blues-Komponente akzentuierten. Hierzu gehören insbesondere die Rolling Stones und The Animals. Genau dies sollte dafür sorgen, dass sich der Rock‘n‘Roll zum Rock weiterentwickelte und in dutzende Subgenres aufteilte, die vom Psychedelic Rock über Folk Rock bis hin zu Hard Rock reichen.

Rock’n’Roll: heute

Rock‘n‘Roll in seiner ursprünglichen Form ist heute eher ein Nischengenre als ein Musikstil des Mainstreams. Dennoch gibt es auch in diesem Jahrtausend noch Bands, die mit klassischem Rock‘n‘Roll kommerzielle Erfolge verbuchen, wie zum Beispiel das Alter Ego des Popsängers Sasha namens Dick Brave & the Backbeats. Interessant ist ferner, dass sich das Genre dann als erfolgreich entpuppt hat, wenn es andere Popsongs covert, wie zum Beispiel die Bands The Baseballs und The BossHoss unter Beweis stellen.

Rock’n’Roll: auf die Ohren, fertig, los

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Rupert ist ein Illustrator und Designer aus München. Er arbeitet seit seinem Designstudium als freischaffender Illustrator und Designer, national und international hauptsächlich in der Musikbranche und im Editorial Bereich. Mehr findet ihr unter: www.rupertgruber.com.

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Bildquelle: Rupert Gruber