Wahre Liebe: Davon können Großeltern oft berichten

Die Geschichte unserer Großeltern: Was ist wahre Liebe?

Oma und Opa haben viel zu erzählen. Und von ihren Geschichten können wir einiges lernen.

Wahre Liebe – so viele sprechen davon. Ständig und so schnell. Damals schon, in der achten Klasse schrieben Leon und Marie in ihren WhatsApp-Status: „Forever“. Dieses Forever hielt ein paar Wochen an. Nicht weiter verwunderlich mit 14 Jahren. Aber viel hat sich daran nicht geändert: Menschen sprechen von für immer und handeln, als ob es kein Morgen gäbe. Wenn eine Kleinigkeit nicht passt, dann trennen sie sich. Versteht mich nicht falsch – natürlich ist eine Trennung auch ein Privileg, „eine Errungenschaft der Moderne“ wie die Antilopen Gang es nennt. Trotzdem sind Beziehungen in vielerlei Hinsicht irgendwie nicht mehr das, was sie einmal waren.

„Ich werde dich nie mehr verlassen“

Es gibt eine Geschichte, die mich besonders beeindruckt und die für mich den Begriff „Wahre Liebe“ greifbar gemacht hat. Es war das Jahr 1942 und es war Krieg auf der Welt. Aus taktischen Gründen besetzte die deutsche Wehrmacht Norwegen. Der 28-jährige Soldat Helmut Crott war in Harstad, im Norden Norwegens stationiert. Beim Besuch einer dort lebenden Familie lernte er die 19-jährige Lillian kennen – die beiden verliebten sich. Helmut und Lillian standen vor unzähligen Herausforderungen. Aber ihre Liebe aufgeben? Das kam für die beiden nicht in Frage. So hielten sie ihre Beziehung zunächst geheim. Denn Norwegerinnen, die eine Liebesbeziehung mit dem Feind eingingen, wurden geächtet. Nach Kriegsende wurden vielen von ihnen sogar die Haare geschoren werden: Ein Zeichen von Entwürdigung und Verachtung.

„Ich werde dich nie mehr verlassen“, sagte Lillian zu Helmut und meinte es auch so. Dieses Versprechen hielt sie, als sich Helmut im Kriegsgefangenenlager befand, sie hielt es, als sie nach dem Krieg sieben Monate nichts mehr von Helmut hörte, ihn zwei Jahre lang nicht mehr sah und als ihr alle einredeten, dass sie ihn vergessen sollte. Als Helmut zurück in Deutschland war, erreichte er Lillian. Die Lage war kompliziert, in Europa Chaos, die Grenzen nach Deutschland waren dicht. In einer verschlüsselten Nachricht erklärte er ihr, wie sie am besten zu ihm nach Deutschland kam. Mit nichts außer drei Koffern und ein paar Namen reiste Lillian zunächst nach Dänemark. Mit Hilfe der dort lebenden Menschen schaffte sie es als blinde Passagierin auf eine Dampflock nach Deutschland – zu Helmut.

Lillian und Helmut haben alles riskiert

Die beiden haben so viel auf sich genommen, ihr Leben riskiert und gewartet. Warten: Das ist etwas, was viele heute irgendwie verlernt haben. Es erscheint uns wie das Ende der Welt, wenn der Partner oder die Partnerin ein Auslandsemester vor sich hat oder sogar nur zwei Wochen in den Urlaub fährt. Und ja, manche Beziehungen zerbrechen sogar an solch banalen Dingen wie Urlauben. Würden wir das Lillian und Helmut erzählen, würden sie vermutlich in Gelächter ausbrechen. Ihre Geschichte kann man in „Erzähle es niemandem! Die Liebesgeschichte meiner Eltern“ nachlesen. Das Buch hat mich tatsächlich zu Tränen gerührt. Oft sind solche besonderen Geschichten aber gar nicht so fern. Nach ein bisschen Recherche habe ich herausgefunden, dass auch die Geschichte meiner Großeltern die einer Wahren Liebe ist.

„Wir lieben uns wie am ersten Tag“

Meine Oma kam aus Helsingborg in Südschweden. Ende der 1950er Jahre verschlug es sie nach Blaustein, in der Nähe von Ulm. Dort arbeitete sie für ein paar Monate in einem Kinderheim. Während eines Spaziergangs lernte sie meinen Opa kennen. Als meine Eltern mir davon erzählten, sprachen sie von „Liebe auf den ersten Blick“. Die Begegnung meiner Großeltern war reiner Zufall und trotzdem irgendwie so schicksalsschwer. Hätte mein Opa sich an dem Tag für einen anderen Weg entschieden, hätte er meine Oma möglicherweise nie kennengelernt. Wie genau ihre gemeinsame Zeit in Blaustein dann aussah, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass meine Oma irgendwann zurück nach Schweden musste. Mein Opa studierte noch – und das in England. Die beiden trennten jetzt also über 1500 Kilometer.

Sich aufgeben? Wie bei Lillian und Helmut kam das nicht in Frage. Meine Großeltern kommunizierten in dieser Zeit hauptsächlich über Briefe – in einer Mischung aus deutsch, schwedisch und englisch. Die Eltern meiner Oma waren gegen die Beziehung. Ein deutscher Mann war nicht das, was sie sich für ihre Tochter vorgestellt hatten. Die Liebe meiner Großeltern konnte das aber nicht erschüttern: 1964 heirateten sie in Schweden. In einer alten Kiste habe ich ein Hochzeitsalbum gefunden. „Till min älskade make“ (Für meinen geliebten Mann), steht ganz vorne.

Meine Großeltern am Tag ihrer Hochzeit

Nach ihrer Hochzeit zogen sie nach Deutschland. In Blaustein, nicht weit von dem Ort, an dem sie sich das erste Mal sahen, lebten sie fast ihr ganzes Leben. Sie waren über 50 Jahre lang verheiratet und ich werde mich immer an den Tag ihrer goldenen Hochzeit erinnern. Als mein Opa sein Glas Rotwein in die Luft hob und sagte: „Wir lieben uns wie am ersten Tag.“

Welche Geschichten gibt es noch zu erzählen?

Wenn ich mich so in meinem Freundeskreis umhöre, haben viele solche Geschichten ihrer Großeltern zu erzählen. Früher war sicherlich nicht alles besser, doch trotzdem hatten sie einigen von uns etwas voraus: Dinge nicht einfach wegzuwerfen.

Eure Großeltern haben auch eine bewegende Geschichte? Schickt sie mir gerne an sophie.hepach@zeitjung,de. Solche Geschichten sollten erzählt werden!

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Bildquelle: private Aufnahme.