Oldtimer in Havanna

„Gestrandet“ in Kuba: ein Reisetagebuch

Auf eine sehr verdrehte Art und Weise kann ich das zwar nachvollziehen, denn auch ich hatte zumindest den Eindruck, dass das Gefühl von Zusammenhalt und der Sinn für Gemeinschaft in Kuba stärker ausgeprägt sind als in den meisten anderen Ländern. Aber abgesehen davon frage ich mich, ob die Menschen, die hinter diesen Reiseblogs stecken, im selben Land unterwegs waren wie ich. Denn in den meisten anderen Hinsichten habe ich in Kuba rein gar nichts als „noch in Ordnung“ empfunden.

Im Gegenteil: Durch Kuba zu reisen, fühlt sich an, als wäre man in einem absurden Museum – bis einem immer wieder bewusst wird, dass das, was man dort sieht, real ist, und dass die Menschen, die in Kuba leben, dieser Realität tagtäglich ausgesetzt sind.

Meine Eltern sind in der DDR aufgewachsen. Auch aus diesem Grund hat es mich besonders gereizt, einen Abstecher in ein sozialistisches Land wie Kuba zu machen. Und tatsächlich habe ich mich gefühlt, als wäre ich durch die Zeit gereist und in einer ihrer Geschichten gelandet – bloß eben in der tropischen Version.

Der Satz, den ich in Kuba von den Einheimischen gefühlt am meisten gehört habe, war: „Es una locura“ – was übersetzt so viel bedeutet wie: „Es ist Irrsinn.“

So ziemlich alles in Kuba fühlt sich an, als wäre man in einem anderen Jahrhundert, und zwar nicht nur wegen der alten Autos. Beispielsweise gelten in Kuba auch Pferde noch als legitime und vollkommen geläufige Transportmittel. Es gibt separate Straßenschilder für Menschen, die zu Pferd unterwegs sind und so beispielsweise im Morgengrauen ihre Kinder zur Schule bringen.

Alle Kubaner*innen, mit denen ich darüber gesprochen habe, hassen das politische System in ihrem Land. Und bevor sie überhaupt ein Wort darüber verlieren, schauen sie sich um, um zu überprüfen, ob ein Spitzel in der Nähe ist und ob sie eventuell gehört werden könnten. Und selbst danach reden sie für gewöhnlich sehr leise, wenn sie über die kubanische Politik sprechen. Und obwohl niemand zufrieden zu sein scheint, ist die Stimmung alles andere als revolutionär: Stattdessen sind die Menschen resigniert. Hoffnungslos.

Der einzige potenzielle Lichtblick heißt Baseball. So gut wie alle Eltern in Kuba schicken ihre Söhne zum Baseball, in der Hoffnung darauf, dass sie von amerikanischen Teams entdeckt werden, zu Stars werden, reich werden und ihre Familie aus Kuba herausholen können.

Generell drehen sich viele Gespräche zwischen kubanischen Jugendlichen wohl darum, auszuwandern. Ein Typ hat mir erzählt, dass alle kubanischen Frauen auf Dates davon reden, dass sie in die USA auswandern wollen; dass sie aus Kuba entkommen wollen.

Aber dazu fehlen ihnen die Mittel, denn es fehlt ihnen am Geld. Genau wie an allem anderen: an Medikamenten, an leckeren Lebensmitteln, sogar an Elektrizität. Außer in der Zeit, die ich in Havanna verbracht habe, habe ich in Kuba keinen einzigen Tag ohne Stromausfall erlebt. Manchmal fünf Stunden, manchmal acht Stunden, manchmal nur zwei Stunden. Vollkommen willkürlich – genau wie alles andere in Kuba.