Faber im Interview: „Vielleicht bin ich zu sensibel für das Business“

Am 1.11.2019 bekamen wir endlich Fabers neues Album „I fucking love my life“ auf die Ohren – und es klingt genau so wie wir ihn kennen und lieben: düster, mit intensiven Gitarrenklängen und dunkler Stimme, so ironisch und voyeuristisch, dass es schon fast ein bisschen weh tut. Immer mit einer kritischen Message, die den Geist der Zeit gnadenlos enttarnt. „Mit einem 3-Minuten Popsong kann ich die Welt nicht retten“, sagt er, und bietet mir eine Zigarette an. „Aber ich kann Diskussionsgrundlage bieten. Das ist schon ziemlich gut.“

Wir sprechen über Fabers Rollen, die Sucht nach Aufmerksamkeit und die Schweizer Wahlergebnisse.

 

ZEITjUNG: Treffen sich zwei Schweizer in München…

Faber: Du bist tatsächlich heute schon die zweite Schweizerin, die ich treffe. Können wir auf Schweizerdeutsch reden?

Na klar! Was sagst du denn zu den aktuellen Wahlergebnissen bei uns Zuhause?

Grün und feministisch, die Schweiz hat sich irgendwie gerettet! Keine Ahnung, wie wir das geschafft haben, das ist echt legendär. Ich bin froh, dass mittlerweile viele Menschen sensibilisiert sind für die großen Probleme unserer Zeit. Denn ich fühle mich nach wie vor manchmal sehr ohnmächtig, und denke es geht auch immer noch vielen so: Die Fragen sind viel zu groß, man will nur noch mit dem Bier auf der Couch chillen und denkt sich: „Hauptsache du ziehst dich aus und alles ist gut.“ Aber jetzt grad bin ich schon stolz, was wir da in der Schweiz geschafft haben.

Auf deinem neuen Album ist dein erstes schweizerdeutsches Lied zu hören. War hochdeutsch bis jetzt eine Maske?

Ich habe eigentlich immer gesagt, dass es genau dasselbe ist für mich, da wir Schweizer ja auch früh mit Hochdeutsch aufwachsen. Aber es stimmt irgendwie doch nicht ganz… Aber eigentlich weiß ich nicht, ob das tatsächlich an der Sprache liegt oder am Lied selber. „Heiligabig, ich bin bsoffe“ ist aus dem Affekt entstanden, da ist wenig konstruiert, ich spiele keine Rolle. Wahrscheinlich verstärkt das Schweizerdeutsch diese persönliche Seite.

Deine Figur Faber singt immer wieder aus der Sicht anderer Persönlichkeiten – nicht selten sehr umstrittene. Wie gehen die Menschen damit um?

Ich habe mal auf einem Konzert das Lied „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“ gespielt. Das ist aus der Sicht von einem Rechtsradikalen geschrieben, der am Mittelmeer hockt und den Flüchtlingsbooten entgegenschaut. Da schrie jemand aus dem Publikum „Für Nazi-Scheiße gibt es keinen Applaus“ und ist gegangen. Das tut schon weh. Natürlich ist meine Musik nicht ganz einfach zu durchleuchten, das ist mir schon bewusst, von dem her ist es ja auch selbstverschuldet. Und die Menschen sind auch nicht geübt darin – gerade in der Popmusik – mehrmals um die Ecke zu denken. In der Literatur hingegen, würde man ja auch nicht behaupten, der Protagonist sei 1:1 der Autor.

Kannst du denn in der Musik Künstler und Kunst genauso einfach trennen?

Einfach sicher nicht. Die Figur Faber hat natürlich viele Überschneidungen mit mir. Aber er schlüpft ja immer wieder in Rollen, die überhaupt nichts mit mir zu tun haben. Im Fall von „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“ wären also Künstler und Kunst ganz klar voneinander getrennt.

Wie wählst du denn die Rollen, die Faber spielt?

Ich versuche zu spüren, was gerade in der Luft liegt, sei das Sexismus, der Umgang mit Social Media usw. Diese Themen will ich mit den Rollen greifbar machen. Aber dadurch sind sie und meine Musik auch total aufgeladen und wecken sehr extreme Gefühle bei den Menschen – gute wie schlechte.

Inwiefern?

Wenn du dir die Kommentarspalte bei gewissen Songs von mir anschaust, ist das schon echt heavy. Da steht zum Beispiel „ich hoffe, du ertrinkst mit deinen Flüchtlingsfreunden“ oder „das was in Halle passiert ist, hätte dir passieren sollen“ – das lässt einem nicht kalt. Deshalb habe ich auch den Refrain von „Das Boot ist voll“ abgeändert, da wurde mir vorgeworfen, ich hätte Vergewaltigungsfantasien gegenüber Nazis. Das tut schon sehr weh.

Aber können denn die positiven Reaktionen das aufwiegen?

Nein. Die bringen mich auch durcheinander. Denn nur weil mir die Leute positiv begegnen, bin ich nicht safe. Gerade auf Tour beispielsweise habe ich immer nur Menschen um mich, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu mir stehen – also entweder irgendwie mit mir arbeiten oder Fans sind. Da passiert es schnell, dass man die Bewunderung und Aufmerksamkeit mit Liebe oder Freundschaft verwechselt. Dabei sind alle aus einem gewissen Grund an dir interessiert. So wird ‚privat werden’ mit neuen Menschen sehr schwierig.

Wann kannst du denn richtig privat sein?

Wenn ich in Palermo bei Verwandten bin. Da habe ich eine Art Parallelleben, da kennt mich niemand auf der Straße. In der Schweiz und in Deutschland bin ich irgendwie eine Szene-Figur, unter Studenten kennt man mich oder natürlich im Kreis 4 von Züri. Richtig abschalten kann ich da nie. Und die, die mich als Faber kennen, können das auch nicht. Die wissen ja nicht, dass ich eigentlich gerade als Julian unterwegs wäre.

Aber in Palermo kannst du easy du selbst sein?

Easy wohl nicht. Weil diese Aufmerksamkeit auf eine seltsame Art auch süchtig macht. Irgendwie kannst du nicht mit ihr umgehen, aber ohne willst du auch nicht leben. Als ich zum Beispiel eine Freundin kennengelernt habe, erzählte ich ihr was ich mache. Sie meinte darauf nur „ah okay cool“ – sie arbeite im Büro. Dann redeten wir über sie. Sie war total unbeeindruckt. Dabei wollte ich so sehr, dass sie mich ein bisschen bewundert. Da merkte ich, dass ich schon zu tief drin war und diese Aufmerksamkeitssucht unbedingt bremsen muss.

Das erste Lied auf deinem neuen Album thematisiert genau das. Hast du Angst davor, der Erfolg könnte mal abnehmen?

Hatte ich lange. Nach der letzten Tour bin ich in ein tiefes Loch gefallen, weil ich Angst davor hatte, so lange frei zu haben. Aber jetzt mit der neuen Promophase, weiß ich gar nicht mehr, ob ich das nochmal will – dieser ganze Druck. Jeder hat eine Meinung zu dir, alles was du sagst, wird auf die Goldwage gelegt. Vielleicht bin ich auch einfach zu sensibel für das Business.

Also war das dein letztes Album?

Das wäre übertrieben, das so festzunageln. Musik war schon immer das, was ich machen wollte. Jetzt ist es einfach nicht mehr die einzige Möglichkeit. Deshalb ist die Angst, dass es mal nicht mehr funktionieren könnte auch gar nicht so groß.

Was wäre denn eine Alternative zur Musik?

Die Musik wird wohl immer bleiben, aber in einem entspannten Rahmen, oder aber ich kaufe mit meiner Mutter einen Kiosk. Das wäre doch legendär!

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Bildquelle: Studio CDN