Homophobie: Die abstoßenden Reaktionen auf das Orlando-Attentat
Es ist ein wenig Zeit ins Land gezogen, zehn Tage um genau zu sein, und die schlimmsten Wunden sind vielleicht verheilt. Das Attentat Omar Mateens im Nachtclub „Pulse“, einem Begegnungsort der LGTBQ-Community in Orlando, brachte 49 Menschen um.
Seitdem ist viel geschrieben und kommentiert worden: Dass die lasche Waffengesetzgebung der Vereinigten Staaten solche Taten zwar nicht erklären könne, aber gewiss begünstige. Es wurde über Motive der Tat spekuliert, über eine mögliche Verbindung zum sogenannten Islamischen Staat, über strikte Erziehung und ein konservatives Elternhaus, über die Abweisung Mateens innerhalb der Schwulen-Community Orlandos.
Die schreckliche Tat führte auch zu weltweiten Solidarisierungswellen und Kondolenzbekundungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, „dass unser Leben in offenen und freien Gesellschaften geprägt sein muss von Respekt gegenüber dem jeweils anderen – egal, was er glaubt, egal, wie er aussieht und egal, wen er liebt.“ Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, nannte die Tat einen „Akt des Terrors“. Und unlängst hackte das Anonymous-Kollektiv den Twitter-Account von ISIS und flutete diesen mit Bildern von Homosexuellen.
Trotzdem kommt man nicht umher, festzustellen, dass sich unter die vielen einfühlsamen Reaktionen auch Stimmen mischten, die einen fassungslos machen: Anders als beim Terror vom 11. November in Paris, den Anschlägen auf Brüssel im März 2016 oder Charlie Hebdo gab es in auch eine Vielzahl von entsetzlichen Reaktionen, die weder Mitgefühl äußern, noch sinnvoll zu Ende gedacht sind. Sie folgen dabei besonders kruden Denkmustern:
1. Falsche Schwerpunktsetzung
Der britische Sender Sky News nahm die Anschläge zur Gelegenheit, eine Sondersendung ins Programm zu rufen, die die Einordnung der Tat zum Ziel hatte. An der Sendung beteiligt waren Mark Longhurst von Sky, Julia Hartley-Brewer und der Journalist des Guardian Owen Jones. Die Sendung endete in einem Eklat: Owen Jones, der selbst bekennender Homosexueller ist, verließ die Diskussion, nachdem weder Longhurst, noch Harley-Brewer bereit waren, die Tat einen Anschlag auf Homosexuelle zu nennen.
Die Reaktion von Jones mag impulsiv gewesen sein. Longhurst und Harley-Brewer gaben in ihren verkorksten Argumentationen jedoch auch durchaus Anlass, eine Diskussion mit ihnen zu unterbrechen. Nimmermüde betonten sie, dass der Anschlag in Orlando einem Angriff auf unsere westliche Kultur gleichkomme. Sie weigerten sich dabei jedoch resolut, das Kind beim Namen zu nennen: Nämlich, dass der Täter Omar Mateen bewusst einen Schwulenclub angriff. Keinen illegalen Rave, keine subkulturelle HipHop-Party und auch keine Intellektuellendiskussion. Die sexuell anders Orientierten waren Mateens Ziel, und so banal das klingen mag, muss es wiederholt und genannt werden. Der Angriff galt nicht irgendeinem beliebigen Nachtclub, sondern einem, der als Begegnungsort für Homosexuelle galt.
Es fällt dabei leicht, einen Terrorakt als Angriff auf die westliche Kultur zu betiteln, und zugegebenermaßen, ja, er war ein Angriff auf die westliche Kultur. Schreibt man sich Minderheitenschutz und Gleichbehandlung von Homosexuellen auf die Fahnen, ist man per se „westliche Kultur“. Dennoch macht man es sich als Journalist in diesem Moment zu einfach, wenn man die Prioritäten zwischen westlicher Kultur und Homophobie vertauscht. Wird eine Synagoge angegriffen, so ist der Anschlag antisemitisch motiviert. Wird eine Moschee angegriffen, so ist der Anschlag islamfeindlich motiviert. Wird ein Schwulenclub angegriffen, so ist der Anschlag homophob motiviert. Und ergo sollte man nicht zögern, das so auszudrücken. Die Besinnung auf westliche Kultur kommt dabei zu kurz und erweckt den Anschein, dass jeder von uns Opfer sein könnte. Dabei galt der Anschlag bewusst eine Randgruppe – und ist somit in erster Linie ein Anschlag auf Homosexuelle. Das sollte, nein das muss man auch so deutlich, ohne wenn und aber, sagen.