Schauspielerin Ideal Kanal im Interview: „Es ist nicht mein Job, erwachsene Menschen aufzuklären“

Ein steiniger Weg

Wie bist du eigentlich zur Schauspielerei gekommen?

Ideal: „In der fünften Klasse hat mich mein Musiklehrer gefragt, ob ich mal bei der Theatergruppe der Schule vorbeischauen will. Einen Monat später hatten wir unseren Auftritt. Ich habe nur einmal ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ gesagt, aber ich fand’s super faszinierend, auf der Bühne zu stehen. Ich war auch ein bisschen introvertiert und habe Wege gesucht, wie ich mich ausdrücken kann. Theater- und Schauspiel-Workshops waren dann eine Art und Weise für mich, wo ich mich öffnen und die Emotionen rauslassen kann. Dann habe ich da weitergemacht und wollte es auch beruflich machen. Nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, habe ich eine private Schauspielschule gefunden und war da zwei Jahre.

Zwischendurch habe ich pausiert, weil ich drei Knie-OPs hatte. Ich dachte, ich kann nie wieder Schauspiel machen, weil die Erwartung an Schauspieler einfach zu hoch ist, was Körperarbeit und alles angeht. Aber ich habe mir einfach gesagt, ich zieh’s jetzt durch. Dann habe ich mich für Kurzfilme und Workshops beworben und mich irgendwann dazu entschieden, dass ich mehr in Filmen spielen will. So bin ich ins Theater und Schauspiel reingerutscht. (lacht) Meine Leidenschaft ist mein Job geworden. Und wenn man sowas hat, dann sollte man nicht aufgeben.“

Du hast ebenfalls in einem Musikvideo der Band „Kafvka“ für ihren Song „Tanz deinen Schmerz weg“ mitgewirkt. Einmal kommt darin folgender Satz vor: „Wo die Diskriminierung Struktur hat und der Name entscheidet, wer hier Abitur macht.“ – Du hast selbst in Berlin Abitur gemacht. Warst du als Deutsch-Türkin oft zum Beispiel in der Schule mit Rassismus oder Diskriminierung konfrontiert?

Ideal: „Ich bin in Neukölln aufgewachsen. An meinen Schulen waren sehr viele Schüler mit Migrationshintergrund. Deswegen war in der Klasse Rassismus nie so ein Thema. Ich habe mich in meinem Kiez immer wohlgefühlt, weil man wusste, woher man kommt, was für einen Background man hat. Erst an der Uni habe ich dann viele deutsche Freunde kennengelernt. Bis dahin gab es nicht viel Rassismus, es sei denn, es gab Lehrer, mit denen ich solche Erfahrungen gemacht habe. In der sechsten Klasse mochte mich eine Lehrerin nicht, ich weiß nicht, aus welchem Grund. Meine Noten waren nicht schlecht und ich hätte damit eine Realschul-Empfehlung bekommen, sie hat mir trotzdem nur die Empfehlung für den erweiterten Hauptschulabschluss gegeben.

Dann kann ich mich noch daran erinnern, dass ich im Unterricht irgendwas auf Türkisch geschrieben habe. Der Lehrer hat dann mein Heft genommen, ist nach vorne gegangen – das werde ich nie vergessen – und sagte: ‚Du schreibst in meinem Unterricht Dinge in irgendeiner anderen Sprache. In meinem Unterricht, und dann auch nicht mal auf Deutsch!‘. Dann hat er mein Notizbuch in mein Gesicht geworfen. Zwei oder drei Minuten später habe ich angefangen zu weinen und bin dann zum Direktor gegangen.

Alltagsrassismus und Diskriminierung passieren auch sehr oft in meinem Job, muss ich leider sagen. Es ist mega anstrengend und kostet Energie, mich jedes Mal rechtfertigen und erklären zu müssen. Vor allem erwachsene Menschen aufzuklären, die sich selbst aufklären können, ist nicht mein Job.“