Proteste im Iran

Iran: Mit liken, sharen und reposten zur Revolution

Am 16. September starb die 22-jährige Iranerin Mahsa Amini an den Folgen von Polizeigewalt, mutmaßlich da sie ihren Kopf nicht entsprechend den Vorgaben des streng religiösen Regimes bedeckte. Mahsas Tod löste eine Welle von Protesten im ganzen Land und später auch auf der ganzen Welt aus. Die Demonstrierenden im Iran fordern mehr Rechte und mehr Selbstbestimmung für Frauen, Lösungen für die desolate Wirtschaftslage und die Säkularisierung des politischen Systems.

Demonstrationen aufgrund dieser Probleme gibt es im Iran nicht zum ersten Mal. Doch mittlerweile zeichnen sich signifikante Unterschiede zu vorherigen Unruhen ab. Die Iranerinnen wollen die Unterdrückung nicht mehr hinnehmen und lassen sich von der Brutalität des Regimes nicht beeindrucken. Der Tod weiterer Frauen durch die Handlanger des Gottesstaates heizte die Intensität der Proteste weiter an. Ihre Namen und ihre Geschichten werden für die internationale Öffentlichkeit sichtbar, vor allem durch die Verbreitung über soziale Medien. So nehmen wir die Toten nicht als gesichtslose Demonstrantinnen wahr, sondern wissen, dass unter ihnen Frauen wie Nika Shakarami, Sarina Esmailzadeh, Asra Panahi oder Setareh Tajik sind. Wir können ihre Social-Media Profile einsehen und vielleicht feststellen, dass sie sich gar nicht so von einem selbst unterscheiden. Neben der aufkommenden Empathie dabei, steigt auch die Wut, da einem mit jeder zusätzlichen Information bewusster wird, wie ungerechtfertigt und unfair ihr Tod war.

Gen Z und Social Media – ein Dorn im Auge des Regimes

Die Generation Z ist taktgebend für die wachsende Umsturzbewegung. Sie versteht es das Internet für sich zu nutzen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und sich zu vernetzen. Bilder und Videos von Protestaktionen nehmen die Angst davor selbst aktiv zu werden. Mit dem Teilen von symbolischen Gesten wie dem Nicht-Tragen von Hijabs, zwischengeschlechtlichen Umarmungen in der Öffentlichkeit oder dem Abschneiden von Haaren wird eine ganze Generation erreicht und die Hemmschwelle für Nachahmung sinkt.

Wie bedeutungsvoll das Internet für die Bewegung ist, beweisen die umfangreichen Versuche der autoritären Regierung dieses einzuschränken (auch mit Unterstützung deutscher Unternehmen). Für die Medienwirksamkeit der Posts spielen neben den Inhalten auch die Engagement-Funktionen der Internet-Plattformen eine Schlüsselrolle. Liken, Sharen, Reposten oder Kommentieren sind sogenannte „small acts of engagement“ (SAOE), die nur einen geringen Aufwand erfordern und somit die Überwindung zur politischen Partizipation senken. In großer Masse können aber genau diese Engagements die Antriebswelle für politische Protestbewegungen darstellen.

Der Kampf um das Internet

Gelingt im Iran die Revolution wäre dies ein immenser Bedeutungszuwachs für die Internetkommunikation bei politischen Umsturzbewegungen. Folgen andere Länder, in denen das autoritäre Regime gestürzt wird? Nimmt die Repression in diesen Staaten aus Angst davor zu?

Fest steht, dass die großen Player in Sachen Bevölkerungsunterdrückung, wie China, Russland und Nordkorea schon jetzt das Internet so stark regulieren wie kaum andere Länder. Sollte die Revolution im Iran scheitern, wären auch im Iran weitere dauerhafte Einschränkungen der Internetnutzungsmöglichkeiten zu erwarten.

Die jungen, intelligenten und technikaffinen Köpfe solcher Protestbewegungen, finden jedoch rasend schnell Wege, Netzblockaden zu umgehen. Mit der Browser-Erweiterung „Snowflake“, können Personen aus Gebieten ohne Interneteinschränkungen den Menschen im Iran (oder auch in Russland) einen verschlüsselten Internetzugang ermöglichen. Ein Hacking-Angriff auf die Hauptnachrichten im iranischen Staatsfernsehen zeigt, dass die Bewegung noch weit mehr als Social-Media-Skills in petto hat. Unterstützende der Islamischen Republik lasen zur Prime Time auf ihren Bildschirmen: „Das Blut der Jugend klebt an euren Händen“. Angesichts der vielen unschuldigen Toten, wohl die einzige wahre Schlagzeile im Sendeprogramm.

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Bildquelle: Craig Melville von Unsplash; CC0-Lizenz