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Kann man über Jodel Freunde finden? Ein Selbstversuch von #w23 #nackt #eingeölt

Wie lernen wir in einer neuen Stadt am besten Leute kennen, wenn wir nicht gerade dort studieren oder schon den einen oder anderen Kontakt haben? Viele von uns trauen sich nicht, alleine loszuziehen und die Zeiten, in denen wir im Sandkasten gemeinsam eine Burg gebaut haben und dann Freunde waren, sie leider auch schon vorbei. Wie wäre es also, wenn wir versuchen würden, über die Social-Media-App Jodel Freunde zu finden? Schließlich tummeln sich dort viele anonyme Studenten (Schüler raus aus Jodel!), die, wenn sie nicht gerade Ofenkäse essen oder über ihre ungewollte Enthaltsamkeit klagen, doch recht unterhaltsam sein können. Ich habe den Selbstversuch gewagt und mich auf ein „Blind Date“ mit fremden Jodlern begeben.

 

Aufgeregt wie vor einem ersten Date

 

„So, ich bin jetzt da“, ploppt eine Nachricht von Sönke in unserer WhatsApp-Gruppe mit Namen „Kik?“ auf, die nach unserer digitalen Zusammenkunft auf Jodel gegründet wurde. „Hä, wollten wir uns nicht erst um 19:45 Uhr treffen?“, antwortet Elena. „Achso, ich dachte 18:45 Uhr!“, kommt von Sönke zurück. Das geht ja gut los. Völlige Verballerung kennzeichnet mein erstes Jodeltreffen, das von mir initiiert wurde und dem ich so langsam ein wenig nervös entgegenblicke. In einer Stunde werde ich zwei Jungs und ein Mädel treffen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und nur von Jodel kenne. Etwas angespannt mache ich mich zu Hause fertig und steige in die U-Bahn. Komisch, warum bin ich eigentlich so aufgeregt? Schließlich ist das ja kein Date oder so. Kaum steige ich aus, treffe ich Elena und Cem an der Haltestelle. Wir umarmen uns und verstehen uns auf Anhieb gut, was mich wahnsinnig erleichtert. Fröhlich plaudernd latschen wir zum Café, wo seit einer Stunde der scheinbar verpeilte Sönke auf uns wartet. Auch er ist richtig nett und bei Kaffee, Bier und Fanta und in ranzig-gemütliche Sofas gechillt kommen wir alle locker miteinander ins Gespräch.

 

„Meine Kollegin will mit mir einen Porno drehen“

 

Alterstechnisch bewegen wir uns zwischen 18 und 27 Jahren und bis auf Cem sind wir alle Studenten. So lassen sich schnell Themen finden und auch humortechnisch bewegen wir uns auf einer Ebene. Die Runde ist ein bisschen alternativ geprägt und sehr offen. Schließlich befinden wir uns nach einer Stunde Small Talk schon auf dem Themengebiet der sexuellen Erfahrungen und Neigungen. Das ging schnell und ich bin ein wenig überrascht und überrumpelt. Ich erfahre, worauf Elena beim Sex steht und dass Cems Arbeitskollegin mit ihm einen Porno drehen möchte, während sich Sönke entspannt bedeckt hält. Er ist in der Runde der Älteste und auch der Reifste, mit ihm und Elena komme ich am besten klar. Dann erzählt Cem, dass er seit gestern Abend eigentlich nur durchgesoffen und sich heute reichlich Energy Drinks und Kaffee gegönnt hat. Das erklärt sein hibbeliges Hin- und Hergerutsche und seine leicht überdrehte Art. Irgendwie beginnt er, mich zu nerven und als ich ihn besser kennenlerne, finde ich ihn unreif und kann mir nicht vorstellen, mich nochmal mit ihm zu treffen. Letztlich verabschiedet er sich ominös, da er noch was erledigen muss und zieht von dannen. Elena, Sönke und ich unterhalten uns noch eine Weile über Musik, Filme, Studium und Gott und die Welt, ehe auch ich nach ungefähr 3 Stunden Jodeltreffen nach Hause fahre.

 

Das Ende vom Lied

 

Auch nach dem Treffen bleiben alle in Kontakt. Mehrmals die Woche werden Verabredungen geplant und öfter fragt jemand, ob die Anderen nicht spontan Zeit haben. Ich finde es super, dass die drei so viel Spaß hatten und auch noch verbindlich sind. Allerdings klinke ich mich aus, weil mein Praktikum mir alles abverlangt und ich, wenn ich Zeit habe, dann doch meine anderen Freunde priorisiere und treffe. Außerdem ist es jetzt auch nicht so förderlich, dass Cem den Chat mit besoffenen und bekiffeten Sprachnachrichten bombardiert. Schließlich werde ich aus dem Gruppenchat gekickt und das ist voll okay. Obwohl aus diesem Treffen jetzt keine Freundschaft wurde, treffe ich mich noch öfter mit anderen Jodlern. Mal sind wir zu zweit, mal zu acht, mal gucken wir uns ein Feuerwerk an und mal sitzen wir einfach nur im Park. Die meisten von ihnen finde ich locker und umgänglich, schließlich verbindet ja alle der Gebrauch dieser App und die Offenheit, sich mit mehreren Fremden zu treffen. Eigentlich immer haben wir eine gute Zeit zusammen, manchmal folgen darauf weitere Treffen und manchmal bleibt es bei einem. Ganz nach dem Motto: Alles kann, nichts muss.

Ob man auf Jodel Freunde finden kann? Ich glaube, das hängt von einem selbst ab. Aber es ist definitiv eine gute Gelegenheit, um neue Leute kennenzulernen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Und wenn die Chemie stimmt, können aus OJ, Nummer 3, Nummer 10 und Nummer 15 bestimmt auch gute Freunde werden.

 

*alle Namen wurden von der Redaktion geändert

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Titelbild: Unsplash unter CC0 Lizenz