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Holger Allmenroeder: Katholischer Pfarrer und schwul

ZEITjUNG: Gab es je Momente, in denen du überlegt hast, aus der Kirche auszutreten?

Holger Allemenroeder: Nein, wenn ich mal mit dem Gedanken gespielt habe, auszutreten, dann weil mir die Idee von der christlichen Lehre zu kompliziert ist (lacht). Aber darum geht es nicht. Die Kirche ist zweitrangig. Die Kirche ist ein Gefäß und da kriege ich Nährstoffe, aber auch Bitterstoffe. Mir ist mein Glaube wichtig, mein Glaube hilft mir. Ich habe meine Aufgabe und Ziele und die setze ich um. Sollte ich das nicht mehr können, weil man mich an die kurze Leine hängt, dann wäre das was anderes. Das hat man bisher aber noch nicht getan. 

ZEITjUNG: Hat man noch nicht?

Holger Allmenroeder: Ich habe immer den Eindruck, dass sie es aufgegeben haben. Weil ich nicht wirklich etwas Gefährliches mache, melden die sich gar nicht erst bei mir. Obwohl ich einen Ruf habe und es so manchem Bistumsleiter die Röte ins Gesicht treibt, lassen sie mich im Grunde in Ruhe. Ich frage mich manchmal: Bin ich unverletzbar? Hoffentlich führt mich das nicht zu dem Glauben, dass mir nichts passieren kann. Am längeren Hebel sitze ich ja nicht, aber wenn ich eines nicht kenne, ist das Angst. Ich bekomme viele positive Reaktionen aber auch Bemerkungen wie: ‚Wow, sind Sie aber mutig. Ich habe Angst um Sie.‘ Ich denke mir nur, dass ich die Wahrheit sage. Ich bin nicht mutig, ich bin kein Held. Ich habe mich einfach langsam rausgeboxt, ein Schisser zu sein. 

ZEITjUNG: Du handelst aber in gewisser Weise gegen deinen Arbeitgeber. 

Holger Allmenroeder: Jenseits des Beamtenverständnisses von Loyalität gibt es auch ein prophetisches Verständnis. Ich habe auch Ansagen gegen die Sicht von anderen zu machen – wenn ihnen das nicht passt, dann müssen sie handeln. Vielleicht haben sie davor Angst. Andererseits findet die Autorität der katholischen Kirche immer Wege, Dinge, die ihnen nicht passen, zu eliminieren. Man muss aber auch erwähnen, dass meine Aktionen in der Bischofskonferenz – der Sprecher hat mich angerufen, um mir die Meinung des Zirkels, den er vertritt, mitzuteilen – sehr gut angekommen sind. 

ZEITjUNG: Ich nehme dich als sehr selbstbewusst und ehrlichen Menschen wahr. Hast du Tipps für Menschen, die mit ihrer eigenen Sexualität hadern?

Holger Allmenroeder: Sie sollten erst einmal danach suchen, was sie an sich selbst lieben, denn es geht letztendlich darum, Seiten, die andere nicht mögen, selbst anzunehmen. Da hinzukommen kann natürlich ein langer und schmerzhafter Weg sein. Das kann beispielsweise damit zusammenhängen, dass Mama und Papa einen nicht mehr so liebhaben. Da kann ich nur sagen: Mach dich davon frei. Wenn Menschen dich deshalb nicht mehr lieb haben, dann geh auf Distanz. Du wirst andere Leute finden, die dich so mögen, wie du bist. Wenn das Substanzielle deines menschlichen Kerns hinterfragt wird, dann hinterfrage nicht nur dich, sondern auch die anderen. 

ZEITjUNG: Vielen Dank für das Gespräch!

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Bildquelle: Holger Allmenroeder