Ein verliebtes Pärchen

Komm, wir fahren durch die Nacht und verlieben uns: Das ist Synthwave

„Hört das denn niemals auf?“ mögen manche sich fragen, wenn schon wieder irgendetwas aus den 80ern sein Revival erlebt. Der Rubik-Würfel, enge Jeans, you name it. Jetzt ist auch noch die Musik dran. Das Ganze nennt sich Synthwave und ist (noch?) relativ unbekannt. Wir klären auf, was Synthwave ist und was das Ganze mit Ryan Gosling zu tun hat. Und mit einem Franzosen, der aussieht wie der coolste Typ vom College, sich aber so nennt wie ein polnischer Stahlarbeiter.

Aufgefrischt und trotzdem so wie damals

Synthwave ist ein Subgenre der elektronischen Musik, das stark von den 80ern beeinflusst ist. Das bedeutet: Der Einsatz von Synthesizern, einer Drum Machine und anderen Instrumenten, die in den 80ern angesagt waren, ist quasi Pflicht. Das an sich ist aber noch nichts besonderes – da könnte man ja gleich „echte“ Musik aus den 80ern hören.

Das Besondere an Synthwave ist, dass es der Liebe zum Vergangenen einen frischen Anstrich verpasst, ohne dessen Wurzeln zu schaden. Synthwave klingt „satter“ als elektronische Musik, die tatsächlich aus den 80ern stammt, lässt uns aber dennoch sofort an diese Zeit denken. Doch um Synthwave zu „verstehen“, sollte man zunächst etwas zum wohl wichtigsten Synthwave-Instrument wissen. Und das ist, Überraschung, der Synthesizer.

Verbrennt euch nicht die Finger

Schon in den 60ern und 70ern gab es Synthesizer. Indes gab es damals ein Problem: Niemand konnte sie bedienen. Synthesizer und die Musik, das war damals eine Beziehung, die man mit dem Verhältnis zwischen der Menschheit und der Atomkraft vergleichen kann. Nur weil etwas verfügbar ist, muss man es nicht zwingend nutzen. Lieber erst dann, wenn man es kontrollieren kann und sich daran nicht mehr die Finger verbrennt.

Die 80er waren das erste Jahrzehnt, in dem Künstler das entsprechende Talent besaßen (und, zugegeben, auch die Technik so weit war), dass Synthesizer Songs wirklich bereicherten. Es ließen sich formidable Synthie-Hooks komponieren. Als Beispiele seien hier mal Harold Faltermeyers „Axel F“ und „You Make My Dreams“ von Hall & Oates genannt. Diese Songs leben von der Kraft ihrer wohlgesetzten Synthie-Beats. Ob nun eher cool und mystisch wie im ersten Beispiel, oder in explosiver „Happy Go Lucky“-Manier wie bei Hall & Oates.

Ryan Gosling im Sportwagen? Da passen dunkle Synthie-Beats perfekt

Synthwave greift dieses Muster auf und hat es ins neue Jahrtausend transferiert. Einer der Pioniere ist der Franzose Frédéric Rivière, aka Anoraak. 2007 spielte er, mehr oder weniger zum Spaß, mit seinen Synthesizern herum, sang dazu ein bisschen und postete seine Machwerke bei MySpace. Einem MySpace-Mitarbeiter aus den USA gefielen diese dermaßen, dass er sie prominent auf die Hauptseite setzte. Auf einmal erschien Anoraaks Gesicht neben Interpreten wie Rihanna und den Black Eyed Peas. Seine Homerecordings erreichten plötzlich tausende von Leuten.

Auch deshalb gingen daraufhin immer mehr Künstler das Risiko ein, den 80ern in ihren akustischen Kreationen mehr Raum zu geben. The Killers, La Roux, die Neon Trees, um nur einige zu nennen. 2011 entschied Regisseur Nicolas Winding Refn (ja, das war kein Tippfehler), seinem Film „Drive“ eine extradicke Schicht 80er-Glasur zu spendieren. Ryan Gosling kurvt als zwielichtiger Typ in schnittigen Sportwagen durch Los Angeles? Da passen Synthie-Beats, mal schnell und nervenaufreibend, mal schwer wie Blei, perfekt. Ein Song, der dabei hervorstach, ist „Nightcall“. Hier kommt der eingangs erwähnte Franzose ins Spiel, der sich am liebsten mit Sonnenbrille und Collegejacke ablichten lässt: Kavinsky. Ein Pionier für solche Songs, die die dunkle Seite des Synthwave betonen.