
Wie Menschen den Mainstream prägen – oder ihm entfliehen
Kulturelle Eigenheiten prägen das Leben von Gemeinschaften: Sie umfassen Überzeugungen, Verhaltensweisen, Bräuche und Praktiken, die sich durch die Dynamik von Konformität und Anti-Konformität entwickeln. Eine neue Studie vom Santa Fe Institute (SFI) hat nun untersucht, wie sich diese Kräfte auf die Verbreitung kultureller Eigenschaften auswirken.
Die Studie stellt ein mathematisches Modell vor, das die Entscheidungen von Individuen realistischer abbilden soll. Kaleda Denton, Postdoktorandin am SFI, betont, Ziel sei es gewesen, zu simulieren, wie sich Entscheidungen in einer Population von 10.000 Menschen langfristig auswirken können.
Neues Modell überwindet Schwächen klassischer Ansätze
Bisherige Modelle gingen oft davon aus, dass Menschen sich an einem „Durchschnitt“ orientieren – etwa bei Essensportionen oder Arbeitszeiten. Doch für andere Phänomene, wie politische Meinungen, greift dieser Ansatz zu kurz. Häufig verteilen sich Menschen in solchen Fällen auf Extreme, während die Mitte kaum vertreten ist.
Das neue Modell berücksichtigt sogenannte Eigenschaftscluster: Menschen tendieren dazu, sich an nahe beieinanderliegenden Extremen zu orientieren, etwa bei stark linksgerichteten Überzeugungen. Anti-Konformisten wiederum entfernen sich bewusst von den Mehrheiten, was Polarisierung verstärken kann.
Simulationen zeigen komplexe Verläufe
Mithilfe von Computersimulationen untersuchten die Forschenden, wie sich kulturelle Eigenschaften über Generationen hinweg verbreiten. Konformität führte dazu, dass sich Gruppen um bestimmte Eigenschaften formierten, allerdings nicht zwingend um den Durchschnitt. Anti-Konformität bewirkte dagegen eine U-förmige Verteilung, bei der die Extreme besetzt waren und die Mitte leer blieb.
Die Forschenden stellten fest, dass sich kulturelle Eigenschaften selten auf eine einheitliche Norm zubewegen. Selbst kleine Unterschiede in der Interpretation oder Übernahme von Eigenschaften können zu anhaltender Vielfalt führen.
Vielfalt statt Homogenität
Denton erklärt, diese Ergebnisse spiegelten die Realität wider, in der kulturelle Praktiken und Ideologien nicht einfach zu einem Mittelwert verschmelzen. Stattdessen bleibe eine erhebliche Vielfalt bestehen. Interessanterweise kann Konformität unter bestimmten Bedingungen ebenfalls Diversität fördern, während Anti-Konformität Polarisierung verstärkt.
Die Wissenschaftler*innen sehen in der Studie großes Potenzial. Denton erklärte, die Erkenntnisse könnten auf Themen wie Wahlverhalten, soziale Medien oder Gruppenentscheidungen angewandt werden. Das Ziel sei es, zu verstehen, wie individuelle Entscheidungen langfristig Gesellschaften prägen. Künftige Studien sollen das Modell anhand realer Daten überprüfen.
Das Original dieses Artikels „Warum wir manchmal gegen den Strom schwimmen – und manchmal nicht“ erschien zuerst bei unserem Partner Smart Up News.
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Bild: Vecteezy; CC0-Lizenz