Frau schaut in die Kamera

„Lustbewusst“ – ein Buch, das Wissenslücken füllt

Ich bin aufgeklärt, kenne meinen Körper und Sexualität sehr gut. Für mich gibt es keine Tabus, im Gegensatz zu einigen meiner Freund*innen laufe ich nicht rot an, wenn es im Detail um Sexstellungen oder Körperflüssigkeiten geht. Ich bin da fortschrittlich und gebildet. Das dachte ich zumindest. Bis ich „Lustbewusst“ von Simone Hotz gelesen habe.

Unter dem Motto „Gute Frauen kommen in den Himmel – sich selbst liebende Frauen kommen“ schreibt die Sexualpädagogin über die schönste Nebensache der Welt, die gar nicht so nebensächlich ist. Und dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Bis ins kleinste Detail zeigt sie uns den weiblichen Körper und deckt dabei wichtige Regionen und Körperteile auf, von denen wohl die wenigsten vorher gehört haben. Dabei dachte ich immer, das wurde damals im Sexualunterricht gelehrt. Pustekuchen! Hotz zeigt die Mangelhaftigkeit unserer Sexualbildung auf schockierende Weise. Nur weil sich Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern durch ein bis zwei unangenehme Unterhaltungen quälen, heißt das noch lange nicht, dass wir unsere Körper kennen. Wir lernen die Basics über Menstruationszyklus, Befruchtung und Verhütung, aber das war es dann auch. Der Aspekt der Lust wird meist komplett ausgeblendet.

„In der preußisch geprägten Schule hat Lust nach wie vor nichts verloren. #tabu: Sie wird von den inhaltlichen Monopolen der Fruchtbarkeit und Verhütung erdrückt.“

Im Laufe des Lebens lernen die meisten dann doch irgendwie, dass für die weibliche Lust die Klitoris eine wichtige Rolle spielt. Wie diese aber aussieht und dass sie nicht nur diese kleine Perle ist, war mir so nicht bewusst. In „Lustbewusst“ zeigt Hotz, wie die Klitoris funktioniert und dass die gesamte Vulva großes Potenzial für Lustgefühle bietet. Interesse weckend erklärt sie, welche Nerven wie arbeiten und welche Zusammenhänge es gibt. Und auch, dass es noch ganz andere Lustzentren gibt als die Klitoris, die wir leider nicht auf dem Schirm haben.

Zu Beginn ist die Lektüre ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn pure Wissenschaft wechselt sich ab mit bissiger Gesellschaftskritik, der Text ist gespickt mit als Stilmitteln eingearbeiteten Hashtags, erfundenen und selbst erlebten Erfahrungen und sogar Gedichten. Mit Obst und Barbiepuppen werden Genitalien und der weibliche Körper erstaunlich informativ visualisiert. Was zu Beginn etwas irritiert, ist am Ende die Abwechslung und die ganzheitliche Betrachtung der weiblichen Lust, die das Buch so erfrischend macht. Hotz überlädt uns nicht mit trockener Theorie, sondern zeigt, wie wir diese für uns nutzen können, wenn wir uns nur trauen und unsere Scham überwinden.