Bild: Anna Maria Boshnakova

Malik Harris: „Mir war klar, dass ich auf jeden Fall ein Statement machen möchte“

Mit Rockstars vertrat Malik Harris Deutschland beim diesjährigen ESC in Turin. Wir haben mit ihm zurückgeblickt und unter anderem über Politik in der Musik, den Balanceakt zwischen Freizeit und Arbeit und seine neue Single You & I gesprochen. 

Du hast Deutschland beim ESC 2022 vertreten. Sam Ryder hat es rückblickend mit einer Klassenfahrt verglichen. Eine Zusammenfassung, die du so unterschreibst?

Absolut. Es war wie eine Klassenfahrt mit Freunden. Dementsprechend war es auch von der ersten Sekunde so, dass es überhaupt kein Wettbewerbsdenken untereinander gab. Wir haben uns untereinander sehr gut verstanden und ich habe auch echt ein paar Freunde fürs Leben gefunden. 

Wenn du eh schon das Stichpunkt Wettbewerbsgedanken nennst: Warst du am Ende überhaupt enttäuscht, dass es der letzte Platz geworden ist? Ich stelle mir das auch sehr schwer vor, im Moment der Show mit all den Eindrücken, es überhaupt verarbeiten zu können. 

Nicht so wirklich. Bei mir war es eh schon so, dass ich im Vornherein gesagt habe, dass mir das tatsächlich relativ egal ist, welchen Patz man erreicht. Ich sehe es eben mehr wie eine Klassenfahrt oder ein Festival, bei dem ich es geil finde, dass ich meinen Song spielen kann. Dementsprechend war ich da sehr entspannt. 

Klar, im ersten Moment ist man kurz enttäuscht, wenn man sieht, dass man auf diesem großen Board ganz unten steht. Aber kurz danach habe ich mir gedacht: Eigentlich ging es darum ja nie. Ich habe mich auch mega gefreut, als die Ukraine gewonnen hat. 

Und es war ja auch die Tage darauf – und auch jetzt noch – dass es einen totalen Hype ausgelöst hat. Auch dadurch, dass es der letzte Platz war. Ich glaube, wenn man irgendwo im Mittelfeld gelandet wäre, wäre es schwieriger gewesen, dass irgendwer überhaupt darüber redet. 

Bei der Ukraine wird oft argumentiert, dass sie nur gewonnen haben, weil in ihrem Land Krieg herrscht. Aber ganz ehrlich: Der Song ist richtig gut. 

Ultrageil! Ich fand den Song von der ersten Sekunde an sehr stark. Es hat viele Oldschool-Elemente wie das Folkloristische, hat aber auch einen modernen Touch mit dem Beat und dem Bass. (…) Ich finde auch den Refrain großartig, das ist eine super modernde Melodie, die im Kopf bleibt. Genauso wie das Flöten-Break. Wirklich eine sehr geile Nummer. 

Du hast am Ende deines ESC-Auftritts noch mit der Ukraine Solidarität gezeigt, indem du auf der Rückseite deiner Gitarre die Flagge der Ukraine in die Kamera gehalten hast. Offiziell sind politische Statements aber nicht erlaubt gewesen. Wie hast du das angestellt?

Es war auch tatsächlich verboten. Dementsprechend war das eine krasse Nacht- und Nebel-Aktion. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall ein Statement machen möchte. Ich habe auch lange überlegt, was überhaupt umsetzbar ist. Mir war auch wichtig, dass ich nicht nur etwas in das Mikro sage, sondern ich wollte ein Bild kreieren. Ich dachte mir, warum nicht wie im Vorentscheid mit der Gitarre? Die denken bestimmt nicht, er ist so blöd und macht nochmal genau das Gleiche. 

Man hat ja auch sehr viele Proben in den Tagen davor und am Tag des Auftrittes selbst. Dementsprechend durfte ich da meine Gitarre noch nicht bekleben. Also musste ich wirklich nach der letzten Generalprobe vor dem großen Auftritt ins Backstage, habe die Sachen besorgen lassen, und die Gitarre dann selbst beklebt. 

Aber eigentlich ist es ja auch Schwachsinn zu sagen, es ist nicht politisch. Am Ende ist Musik ja fast immer politisch. Zum Beispiel auch dein Song Faith. 

Total. Ich persönlich sehe Politik immer als Teil von Musik oder als Teil von Kunst. Kunst verschmilzt automatisch mit Kultur und gewissen Dingen wie einem Zeitgeist oder einer Message. Dementsprechend geht das Hand in Hand. 

Dazu kommt noch, dass der ESC allein dadurch schon politisch ist, dass es ein Event ist, das ganz Europa zusammenbringt. (…) Ich finde es ganz komisch, wenn man sagt, der ESC hat nichts mit Politik zu tun. Ich finde, das macht überhaupt keinen Sinn. 

Du hast auch durch den ESC bedingt einen sehr straffen Terminkalender. Und klar möchte man vielleicht auch den entstandenen Hype, den du schon angerissen hast, ausnutzen. Aber wie gelingt es als Musiker eine gesunde Balance mit der Arbeit und der Freizeit zu finden. Es ist nun mal kein Job mit festen Zeiten. 

Das ist tatsächlich nicht einfach. Ich muss das auch echt noch irgendwie lernen. Das ist die Challenge, wenn man das zum Beruf macht, was man auch liebt und was man auch macht, um runterzukommen. Dadurch macht man fast nichts anderes und ist gefühlt immer am Arbeiten.

Ich weiß gar nicht, was rauskommen würde, wenn man mal runterrechnet, was ich für eine Stundenwoche habe. 

Ich habe mir aber schon für dieses Jahr vorgenommen, wenn mal Zeit ist, ein paar Tage wegzufahren. Was ich mal bräuchte, ist ein paar Tage allein zu sein. Nicht reden, zuhören usw., weil ich das wirklich pausenlos habe. Da reichen wahrscheinlich auch drei bzw. vier Tage, um mal wieder richtig runterzukommen. 

Ansonsten genieße ich das aber aktuell viel zu sehr – gerade nach den zwei Jahren Corona, in denen man vieles nicht so machen konnte. 

Wenn du Song schreibst, nehmen wir mal deinen neuen Song You & I als Beispiel: Machst du das dann eher rückblickend, oder wenn entsprechende Gefühle akut sind?

Mal so, mal so. You & I war eine Mischung. Es war das Zurückblicken auf frühere Beziehungen, insbesondere das Schlussmachen, und sich dann aber jetzt auch zu denken, dass ich echt froh über diese Erlebnisse bin – auch, wenn es in dem Moment damals teilweise schwierig war. 

Deswegen geht es in You & I darum, dass schlechte Dinge wie Trennungen, die man vielleicht vor sich herschiebt, oft auch rückblickend etwas Gutes sein können. Sei es das Ende einer Beziehung oder der Wechsel zu einem neuen Job. Das muss manchmal sein, auch wenn es im ersten Moment schmerzt. 

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