Mehr Raum, mehr Nähe – ein Plädoyer für getrennte Schlafzimmer

Zu mir oder zu dir? Eine verheißungsvolle Frage. Ob nach wild durchgetanzten Partynächten oder einem besinnlichen Date bei Kerzenschein, diese Frage ist die Krönung eines Abends, sie ist Spannung und Vorfreude pur. Sie steht für Schmetterlinge im Bauch, für rauschende Gefühle, für brennende Lust und öffnet schliesslich unbekannte Türen zu einem neuen Abenteuer. Und irgendwann wird aus diesem Abenteuer vielleicht Liebe, eine Beziehung, in der die Türen und das was dahinter liegt, nicht mehr unbekannt sind. Er oder sie läßt uns rein, räumt vorher vielleicht sogar auf, macht unsere gewohnte Seite des Bettes parat und schüttelt das Kissen auf. Alles wunderschöne Zeichen der Wertschätzung und wir fühlen uns exklusiv.

Zusammenziehen, zusammen schlafen?

Es folgt der Punkt, an dem wir nicht mehr fragen: „Zu dir oder zu mir?“ An dem das Verabreden, zu einer mühsamen aber notwendigen Nebenerscheinung vom Sich-dauernd-sehen-wollen wird. Also ziehen wir zusammen. Wir genießen die romantischen IKEA-Ausflüge, kaufen saisonale Deko für unsere neue Wohnung und merken, wir werden erwachsen. Und wie es sich gehört, haben wir selbstverständlich nur ein Schlafzimmer. Wofür zieht man den sonst zusammen. Gute Frage. Aber eine noch bessere Frage ist: Warum geben wir dem Gegenvorschlag keine Chance?

Zwei Schlafzimmer, zwei Rückzugsorte

Nicht selten haben wir vor dem ersten Zusammenziehen Panik, uns selbst aufzugeben und unser Leben nur noch in Kompromissen führen zu können. Zwei Schlafzimmer – ich will nicht immer getrennte Zimmer sagen, das legt die Betonung falsch – sind die optimale Übergangs-, Zwischen- oder Mittelweglösung. Jeder behält sein kleines Reich, in dem keine Kompromisse eingegangen werden müssen, wo jeder das machen kann was er will, einrichten wie er will. Jeder behält einen Rückzugsort, einen Self-Care-Tempel, an dem wir die Türe schließen können. Ein Ort wo noch gefragt werden muss, ob der andere hineindarf und wenn wir reindürfen ist’s um so schöner. Und wo wir sogar ein bisschen besser schlafen.

Frauen schlafen besser allein

Eine Studie der Universität Wien, die bereits seit einigen Jahren bekannt ist, klärt auf: Der Verhaltensforscher John Dittami belegte in seinen Untersuchungen, dass Frauen neben ihren Partnern schlechter schlafen als alleine. Sie reagieren sensibler auf Bewegungen und Umweltreize als Männer und liegen daher öfter wach. Bei ungefähr 20 großen und um die 50 kleineren Bewegungen der Partner pro Nacht ist das schon echt hart. Dittami erklärt, dass dies auf das Schlafverhalten der Urmenschen zurückgeht, die in der Gruppe schliefen – außer Mutter und Kind. Dabei entwickelten Frauen eine höhere Alarmbereitschaft. Männer schlafen mit Partner im Bett sogar um einiges besser.

Mehr Raum für Nähe

Wenn wir zwei Schlafzimmer haben, bedeutet das nicht, nicht gemeinsam zu schlafen, nicht zu kuscheln oder sich immer mehr zu entfernen. Wir können sehr wohl wochenlang am Stück miteinander einschlafen und Körperwärme genießen. Aber wir entscheiden uns aktiv dazu, was die Zweisamkeit spannender und wertschätzender macht. Wir nehmen die Anwesen- und Verfügbarkeit des Partners nicht als selbstverständlich und ich bin überzeugt, dass dies auf die Dauer die Liebe stark und frisch hält. Zwei Schlafzimmer geben Raum für mehr aktive Liebe und mehr aktive Nähe. Wo Raum ist, suchen wir freiwillig und finden wir freiwillig zusammen, geben der Nähe erst ihren Wert. Und wo Raum ist, hat die Nähe mehr Platz.

Wir fragen mit Schmetterlingen im Bauch: Zu mir oder zu dir?

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz