Genre Guide: Was ist eigentlich Alternative Rock?

Wenn der Beat in unseren Ohren dröhnt, sich Gänsehaut ankündigt und unsere Füße anfangen zu zappeln, dann möchten wir sie am liebsten auf ewig hören – diese Musik. Aber was hören wir da eigentlich? Unser Genre Guide hilft dir weiter. Alle zwei Wochen erklären wir dir einen anderen Musikstil. Dieses Mal gibt es Alternative Rock auf die Ohren.

Es kracht, es knallt, es scheppert. Rock. Aber irgendwas ist hier anders, irgendwas sticht da heraus, das die klassischen Strukturen der Rock- und Popmusik durchbricht. Eine absichtlich falsch gestimmte Gitarre, „gegensätzlicher Gesang“, oder vielleicht auch Riffs, die man so eigentlich nicht spielen sollte. Nennen wir das Ganze doch…Alternative Rock.

Alternative Rock: die Definition

Alternative Rock ist, ganz einfach ausgedrückt, eine Alternative zum Mainstream Rock. Häufig wird hier auch vom Independent Rock bzw. Indie Rock gesprochen. Diese Bezeichnung verwendete man für Alternative-Rock-Bands ursprünglich, weil sie ihre vom Mainstream abweichende Musik bloß bei kleinen, also unabhängigen Labeln veröffentlichen konnten, da nur diese es wagten, derartige Musik auf den Markt zu bringen. Solch kleine Label gibt es auch heute noch, jedoch erscheint Alternative-Rock-Material mittlerweile eben auch bei großen Labeln, sodass beide Begriffe, Alternative Rock und Indie Rock, heute meist synonym verwendet werden.

Hinsichtlich der Besetzung unterscheidet sich Alternative Rock von klassischem Rock nicht. Denn auch er setzt auf Gitarren, E-Bass und Drums. Allerdings ist er experimentierfreudiger und schreckt nicht davor zurück, die rockige Grundlage mit Synthesizern, exotischer Percussion, Streichern oder auch Blasinstrumenten anzureichern. So entsteht ein Klangteppich, der in seinem Kern ganz klar von Rock gekennzeichnet ist, aber zugleich kreativ „ausfranst“ und dadurch mit Konventionen bricht. Es ist, als würde man sein Lieblingsdessert heute mal nicht mit Vanillesoße, sondern mit einer anderen Soße essen. Das Fundament ist immer noch das Gleiche, aber trotzdem ist da etwas anderes, das da mitschwingt, und dem Ganzen einen neuen Geschmack gibt. So vermengt sich das Bewährte mit dem Innovativen.

Was dieses Andersartige ist, das den Alternative Rock kennzeichnet, lässt sich nur schwer fassen – man muss es hören und fühlen. Es kann sich dadurch äußern, dass die Musik dreckiger klingt, rau und unsauber. Das mag sich für die Ohren mancher schief anhören – für andere ist genau das eine kreative Offenbarung.

Verwandt und verschwägert

Die Tochter von: Post-Punk

Beste Freundin: Classic Rock

Hassliebe: Power-Pop

Die kleine Cousine von: New Wave

Können sich nicht ausstehen: Bubblegum-Pop

Verwechslungsgefahr mit: Garage Rock

Alternative Rock: der Ursprung

Wer vom Alternative Rock spricht, kommt am Post-Punk nicht vorbei. Denn darin hat er eindeutig seine Wurzeln. Post-Punk entstand in etwa Mitte der 1970er-Jahre, als nach der Hochzeit des Punk einfallsreiche Bands anfingen, etwas ganz Spezielles zu kreieren: Musik, die sich davor hütete, den stumpfen „No Future“-Gedanken des Punk in sich zu tragen, aber dennoch dessen unheimliche Kraft entfaltete. Post-Punk war und ist etwas Avantgardistisches und Experimentierfreudiges, das gern über den musikalischen Tellerrand hinausschaut.

Entsprechend kann man Tracks vieler Post-Punk-Bands und -Interpreten bereits dem Alternative Rock zuordnen. Dazu zählen zum Beispiel die Talking Heads, Joy Division, Patti Smith, Faith No More und The Police. Sei es der skurrile Gesang eines David Byrne, oder der „nervöse“ Sound der frühen Werke von The Police, der so klingt, als hätte sich der Reggae eine E-Gitarre umgeschnallt und dann drei Dosen Red Bull auf ex heruntergekippt – all diese Methoden sorgten dafür, dass sich ihre Musik von der üblichen Rock-Formel abgrenzte und so im Ohr hängen blieb. Ob man sie gut oder schlecht findet, das bleibt selbstredend dem Hörer überlassen. Unbestreitbar ist aber, dass sie ob ihrer Andersartigkeit aus der Masse heraussticht.

Ab den späten Achtzigern entstand dann etwas, das sich Grunge nennt und den Alternative Rock, ironischerweise, in den Mainstream katapultierte. Bands wie Pearl Jam und Nirvana, die bis dahin nur auf lokaler und subkultureller Ebene Bekanntheit besaßen, trafen mit ihrer düster anmutenden Rockmusik den Nerv der Zeit. Nirvana & Co. schufen damit „the sound of a resentful and distressed generation“. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass diese beiden Bands eine ganze Reihe junger Musiker und Bands beeinflusst haben. Diese mögen danach vielleicht nicht reinen Grunge gespielt haben, aber sind doch eindeutig von dem alternativen Sound dieser Pioniere geprägt. So sehr, dass sie sie sogar in Songs erwähnen, wie etwa die Alternative-Rock-Band Weezer, die in „Heart Songs“ Nirvanas erstes Album erwähnen: „Back in 1991, I wasn’t havin‘ any fun ‚til my roommate said „Come on and put a brand new record on“. Had a baby on it, he was naked on it, then I heard the chords that broke the chains I had upon me.“

Alternative Rock: heute

Dadurch, dass der Alternative Rock, wie schon erwähnt, den Sprung in den Mainstream geschafft hat, ist er heute alles andere als ein ungewöhnliches Genre. Überspitzt könnte man festhalten: „Alternative ist heute normal“. Dennoch gibt es innerhalb des Genres Bands, die ganz unterschiedlich beeinflusst sind, sodass der Alternative Rock heute sehr ausdifferenziert ist. Manche Bands sind deutlich vom Punk geprägt (Sum 41, Billy Talent, Green Day), andere vom klassischen Rock (Foo Fighters, Feeder), andere wiederum vom Rap (Red Hot Chili Peppers) oder auch von Folk (R.E.M, Alanis Morissette, Ben Kweller). Das Ende vom Lied ist, dass Alternative Rock heute nicht etwas ist, dass sich akustisch bloß in irgendwelchen Kellern und Underground-Bars abspielt, sondern dort, wo es jeder hören kann: Im Radio.

Alternative Rock: auf die Ohren, fertig, los

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Rupert ist ein Illustrator und Designer aus München. Er arbeitet seit seinem Designstudium als freischaffender Illustrator und Designer, national und international hauptsächlich in der Musikbranche und im Editorial Bereich. Mehr findet ihr unter: www.rupertgruber.com.

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Bildquelle: Rupert Gruber