„Moodgym“: Online-Programm statt Therapie?

Allerdings weist die Plattform Moodgym selbst darauf hin, dass das Programm keinesfalls für die Diagnose von Depressionen geeignet ist. Es ist keine vergleichbare Alternative zu einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, jedoch kann es als zusätzliche Unterstützung angewandt werden.

Doch hat das Konzept wirklich einen Nutzen, wenn es Ärzt*innen nicht ersetzen kann?

Überbrückung und leichte Zugänglichkeit

Im Jahr 2019 mussten etwa 40 Prozent der Patient*innen mit einem Attest für eine psychische Störung ganze drei bis neun Monate auf ihren Therapiebeginn warten. Das ergab eine Auswertung der Bundespsychotherapeutenkammer. Wie anfangs bereits angesprochen, kann die Verwendung von Moodgym die lange und zermürbende Wartezeit auf einen Therapieplatz für erkrankte Personen überbrücken.

Auch gewährleistet das Programm für viele Menschen, die unter körperlichen Einschränkungen leiden oder auf dem Land ohne Mobilisierungsmöglichkeiten leben, einen schnellen Zugang zu mentaler Unterstützung. Hinzukommt, dass die Trainingseinheiten völlig kostenlos und jederzeit abrufbar sind, anders als bei einer Therapie. Die Anonymität, die mit Moodgym einhergeht, kann es User*innen erleichtern, sich zu öffnen. Sie können ihre Probleme nämlich erst einmal für sich bearbeiten, um sie danach möglicherweise jemand anderem anzuvertrauen.

Mangel an Schutz und sozialen Kontakten

Das Mental-Training in den eigenen vier Wänden kann jedoch genau deswegen problematisch sein – weil es zu Hause stattfindet. Die persönliche Therapie kann insbesondere Menschen, die an Depressionen leiden, eine gewisse Struktur im Alltag bieten. Denn jene neigen dazu, sich aus sämtlichen Lebensbereichen zurückzuziehen. Dadurch, dass sie ihre Therapeut*innen besuchen „müssen“, haben sie immer wieder einen neuen Orientierungspunkt, an den sie sich halten können. Außerdem stellt die Therapie einen Safe Space für diejenigen dar, die sich zu Hause alles andere als geborgen fühlen.

Natürlich fehlt auch eine ganz entscheidende Sache: die Empathie des Menschen. Das Internet-Programm läuft völlig automatisch ab. Ein Mensch hingegen ist dazu in der Lage, individuell zu reagieren. Allein die bloße Anwesenheit kann eine Person mit psychischen Problemen bereits gewissermaßen unterstützen.

Moodygym bringt folglich seine Vor- und Nachteile mit sich. Es ist nicht mit einer konventionellen Therapie vergleichbar, dementsprechend lässt sich nicht abwägen, was nun besser oder schlechter ist. Das kann nur jede*r für sich selbst entscheiden. Dennoch kann das Programm Menschen auf ihrem gesundheitlichen Werdegang begleiten und sie neben einer Psychotherapie unterstützen.

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Bildquelle: christopher lemercier via Unsplash; CC0-Lizenz