Ndaba Mandela, 35, bildet 100 neue Nelson Mandelas aus

Ndaba steht in dem ehemaligen Büro seines Großvaters Nelson Mandela in Johannesburg und zeigt auf ein Bild von einem kleinen Mädchen, das mit Wasser spielt. „Mein Großvater musste jedes Mal kichern, wenn er das Bild gesehen hat, weil er Kinder so sehr liebte“, berichtet er. Sechs Blocks weiter lebte er seit seinem elften Lebensjahr zusammen mit dem südafrikanischen Nationalhelden.

 

Nobelpreis nach 27 Jahren Haft

 

Nelson Mandela war einer der wichtigsten Anführer im Kampf gegen die Apartheid. Trevor Noah, der auch in Johannesburg aufwuchs und mittlerweile als Comedian auf der ganzen Welt bekannt ist, beschreibt das damalige System in seinem Buch „Born a Crime“: „In den USA gab es die Vertreibung der American Natives in Reservate, gekoppelt mit Sklaverei und gefolgt von Segregation. Stell dir vor, all das passiert der gleichen Gruppe von Menschen zur gleichen Zeit. Das war Apartheid.“ Nelson Mandela leitete die Protestbewegung gegen das System auch noch von der Gefängnisinsel Robben Island aus, auf der er 27 Jahre eingesperrt war. Zum Ende seiner Haftzeit Anfang der 90er verhandelte er mit dem damaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk und wurde schließlich der erste demokratisch gewählte Präsident Südafrikas. Dafür erhielt er zusammen mit de Klerk den Friedensnobelpreis, der jetzt im Ausstellungsraum nebenan vom Büro steht. „De Klerk hatte ihn nicht verdient meiner Meinung nach“, erzählt Ndaba, „aber mein Großvater hat sich nie dazu geäußert, denn er war ein sehr diplomatischer Mann, der jeden geliebt hat.“

Ndaba Mandela Nelson Mandela Statue Südafrika Politik Interview

 

Strenge Erziehung und große Werte

 

Der friedliche Mandela wollte aber auch Lektionen an seinen Enkel weitergeben und war auf seine Erziehung bedacht. „Er hat mich einmal sehr hart bestraft, naja nicht sehr. Als Schüler verlor ich ständig das Trikot meiner Schuluniform und einmal hat er mich deshalb draußen schlafen lassen. Als es spät wurde, holte er mich doch noch rein, aber ich hatte große Angst. Von da habe ich aber verstanden, dass meine Sachen Wert haben und nie wieder was vergessen“, erinnert sich Ndaba. Die ersten Jahre mit seinem Großvater waren fokussiert auf seine schulische Ausbildung. Erst später als Ndaba „auf den Berg gehen musste“, begannen die beiden Mandelas, über Persönliches zu reden. Dabei ging es um ein Ritual aus Mandelas Stamm, bei dem Jungen auf einen Berg gehen, beschnitten werden und schließlich als Mann anerkannt sind. Er erzählte seinem Enkel, wie er das erlebte und die enge Beziehung der beiden nahm Form an. Später studierte Ndaba in Pretoria Internationale Beziehungen und sie unterhielten sich über den aktuellen Stand in der Welt. Sein Großvater teilte mit ihm seine Ansichten über die Entwicklung Afrikas. „Außerdem hat er mir beigebracht, jedem Menschen mit Respekt zu begegnen, denn von außen weißt du nie, was dieser Mensch in sich trägt“, erzählt Nadaba. Dass Integrität wichtig ist, um Vertrauen aufzubauen und von anderen geachtet zu werden, hätte er ihm auch beigebracht.

 

„Die jungen Südafrikaner haben die Verantwortung, die mentalen Fesseln zu brechen“

 

Diese Lektionen will er jungen Afrikanern weiter geben, denn „nicht jeder hat einen Mentor, geschweige denn Großeltern“. In „Mut zur Vergebung – Das Vermächtnis meines Großvaters Nelson Mandela“ rekapituliert Ndaba die Lektionen, die er gelernt hat, und übersetzt sie für die junge Generation ins 21. Jahrhundert. Als wir später rausgehen, um neben einer Statur von Nelson Mandela ein Foto zu machen, kommen wir an den Stellwänden vorbei, an denen Besucher Fragen aufschreiben und sich zu Mandela äußern können. Auch hier liest man Kritik, vor allem von jungen Leuten, er habe das Land verschleudert und sich nicht genug für die schwarze Bevölkerung eingesetzt. „Das ist ok für mich, jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung“, findet Ndaba. Er erinnert aber auch daran, dass Mandela der erste Befehlshaber des militärischen Zweiges der Protestbewegung war und es auch nicht seine persönliche Entscheidung war, das Gesicht der Bewegung zu werden. Das war eine strategische Entscheidung der anderen leitenden Personen. „Nelson Mandela hat es geschafft, die physischen Fesseln zu zerbrechen, aber die jungen Menschen heute haben die Verantwortung, den Kampf weiter zu führen und die mentalen Fesseln zu brechen.“ Wer heute also sagt, Mandela hätte eine Chance verpasst, der lenke ab von seiner eigenen Kraft.

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Mandela für Millennials

 

Was Ndaba am liebsten über seinen Großvater sagt, ist, dass er aus sehr armen Verhältnissen stammte und trotzdem einer der wichtigsten Leader weltweit wurde. Das inspiriere und zeige, dass jeder es schaffen kann. Das möchte er jungen Afrikanern weitergeben, anstatt in der Vergangenheit zu leben. Deshalb betreibt seine Stiftung „Africa Rising“ nicht nur dieses Museum, sondern auch verschiedene Programme. 40 Schüler und 20 arbeitslose Jugendliche können demnächst an einem Programmierkurs teilnehmen. Der Kurs stattet sie mit Fähigkeiten und einem Zertifikat aus, damit sie so einen Job finden, ihre Familie unterstützen und den Kreislauf der Armut durchbrechen können. Außerdem startete letztes Jahr das „Nelson Mandela Leadership Programme“. Dafür können sich Millennials im Alter von 18 bis 30 Jahren aus ganz Afrika bewerben. Bei der Bewerbung werden die Teilnehmer gefragt, wo in ihrer Umgebung sie ein gesellschaftliches Problem sehen und was eine mögliche Lösung dafür wäre. Zehn Teilnehmer werden ausgewählt und können dann ein Jahr lang daran arbeiten. Die ersten drei Wochen kommen sie nach Südafrika und lernen mehr über den Führungsstil Nelson Mandelas, wie er mit Integrität und Demut viele Menschen erreichte und anleitete. Danach arbeiten sie für drei bis sechs Monate mit einem Unternehmen aus den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Technologie oder Unternehmensentwicklung zusammen. Letztlich kehren sie mit neuem Wissen und Unterstützung des Unternehmens in ihren Heimatort zurück und arbeiten an der Lösung des Problems. „Wir suchen jedes Jahr zehn Teilnehmer aus. Das machen wir zehn Jahre lang und haben schließlich 100 neue Mandelas.“