Neugier Studie

Studie: Deshalb sind manche Menschen so unglaublich neugierig

„Ich muss nur noch kurz die Welt retten, noch 148 Mails checken. Wer weiß was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel.“ Irgendwo hatte Tim Benzko tatsächlich Recht, mit seinen Zeilen aus dem Song „Nur noch kurz die Welt retten“. Denn es ist schon unglaublich, wie schnell wir unruhig werden, wenn wir für ein paar Minuten mal nicht auf unser Smartphone schauen können – schließlich könnten wir die eine, ganz große Nachricht verpassen. Wir stehen ständig unter Strom, die Gewissheit, etwas nicht zu wissen, macht uns schier wahnsinnig.

 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

 

Woher kommt sie, diese ungebremste Neugier, der wir uns offensichtlich alle nicht entziehen können? Tatsächlich haben wir sie alle, diese fast schon irrationale Furcht vor dem Unbekannten, Fremden. Mit unserer Neugier versuchen wir, die Angst vor der unkonkreten Bedrohung zu bekämpfen.

Diese These stellten zumindest amerikanische Forscher um den Wissenschaftler Bowen Ruan auf. Um ihre Vermutung zu überprüfen, führten die Akademiker an der University of Wisconsin-Madison ein Experiment durch: Sie brachten 54 Studenten in einen Raum mit einem Tisch, auf dem mehrere Elektroschockstifte lagen. Dann erklärten sie den Probanden, diese Stifte seien von einer anderen Untersuchung liegen geblieben und dass sie kurz warten sollten, bis das eigentliche Experiment begann. Natürlich bestand das Experiment aber genau darin, nun zu beobachten, was die unwissenden Wartenden wohl mit den Stiften anstellen würden. Außerdem wurde  noch eine weitere Schwierigkeit eingebaut: Ein paar der herumliegenden Stifte verpassten demjenigen, der sie drückt, tatsächlich einen Stromschlag, andere nicht. Für die eine Hälfte der Teilnehmer waren die funktionierenden Elektroschockstifte mit einem Aufkleber gekennzeichnet, für die andere Hälfte sahen alle Stifte gleich aus.

 

Neugier kann ganz schön wehtun

 

Die Forscher stellten zunächst fest, dass insgesamt so gut wie jeder Teilnehmer die Stifte ausprobierte. Doch die Probanden, die keine Ahnung hatten, welcher Stift tatsächlich den schmerzhaften Stromschlag verursachen würde, waren noch sehr viel mutiger am Stifte-Drücken – das Unbekannte reizt eben besonders. Auch als die Forscher allen Teilnehmern jeweils zehn ungekennzeichnete und zehn markierte Stifte vorlegten, bestätigte sich ihre These: Die Probanden drückten vor allem die Stifte, bei denen die Konsequenzen ungewiss waren. Um unsere innere Neugier zu befriedigen, nehmen wir also sogar das Risiko in Kauf, uns selbst Schmerz zuzufügen.

Wir sind also gierig nach Neuigkeiten, weil wir die Ungewissheit nicht ertragen können. Das ist evolutionsbedingt und hat durchaus nachvollziehbare Gründe: Ein gesundes Maß an Neugier fördert die soziale Nähe und unsere Persönlichkeitsentwicklung. Dies konnte mit einer Untersuchung von Wissenschaftlern der Universität in Buffalo bestätigt werden. Zunächst bestimmten die Psychologen Todd D. Kashdan und Paul Rose den sogenannten CEI-Wert der 99 freiwilligen Probanden. Damit kann gemessen werden, wie leicht in einer Person die Neugier geweckt werden kann. Nun teilten die Forscher die Versuchspersonen in Zweiergruppen ein und gaben die Anordnung, sich entweder über belanglose oder intimere Themen zu unterhalten – je nach Vorgabe. Anschließend sollten die Probanden die soziale Nähe beurteilen, die mit dem jeweiligen Gesprächspartner entstanden war.

Die Untersuchung ergab, dass die Teilnehmer mit besonders hohen CEI-Werten in den intimen, als auch in den Small-Talk-Gesprächen die engsten Kontakte knüpfen konnten.
Besonders neugierige Menschen interessieren sich sehr für ihr Gegenüber. Sie geben sich nicht mit oberflächlichen Details zufrieden – vor allem, wenn sie den anderen noch nicht kennen. Dadurch fällt es ihnen leicht, soziale Kontakte herzustellen und somit auch ihre eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

 

Manche Menschen sind neugieriger als andere

 

Tatsächlich gibt es enorme Unterschiede – manche Menschen haben einen sehr viel ausgeprägteren Wissensdurst als andere. Woran liegt das nur? Vielleicht können manche ihre Neugier einfach bloß besser verbergen? Tatsächlich ist es nahezu unmöglich herauszufinden, worin die Ursache menschlicher Neugier besteht.

Deshalb versuchten Forscher mit einem Tierexperiment herauszufinden, inwieweit Neugier überhaupt messbar ist. Jene Neurologen der Universität Dresden ließen Mäuse mit fast identischem Erbgut in einem Käfig aufwachsen, der viele Beschäftigungsmöglichkeiten in Form von Spielzeug bot. Ein paar der kleinen Tiere reagierten auf jeden einzelnen Reiz und erforschten wuselnd jeden noch so kleinen Winkel ihres Lebensraums. Andere wiederum bewegten sich eher lahm, zeigten sich passiv und desinteressiert. Eine ausgiebige Untersuchung der Tiere ergab, dass sich im Hippocampus der aktiveren Mäuse deutlich mehr Nervenzellen gebildet hatten. Der Hippocampus ist die Hirnregion, die für das Verarbeiten neuer Informationen zuständig ist. Es zeigt sich also: Neugier ist tatsächlich messbar – wissensdurstige Tiere haben offensichtlich ein anders vernetztes Gehirn als die Desinteressierten. Allerdings fanden die Forscher nicht heraus, ob dies als Folge ihres Verhaltens zu werten ist, oder tatsächlich die Ursache für innere Neugier sein könnte.

 

Neugier kann gefährlich sein

 

Auch wenn uns unser Hang, die Welt zu erforschen, ein Stück weit zu den Menschen macht, die wir sind – wir sollten nie vergessen, dass unverhohlene Neugier auch verhängnisvoll sein kann: Oftmals ist sie es, die uns in unmögliche und vor allem gefährliche Situationen bringt. Im schlimmsten Fall kostet sie uns das Leben – zum Beispiel, wenn wir Holzfällern im Wald bei ihrer Arbeit zusehen und dabei von einer Fichte getroffen werden; oder wenn wir fast vom Zug überfahren werden, weil wir von den Gleisen aus einen ICE beobachtet hatten (alles schon passiert).

In gesundem Maße ist Neugier sicher nicht verkehrt, ja sogar wünschenswert. Doch die Betonung liegt – wie so oft – auf gesund. Wir sollten uns damit abfinden, dass diese Welt immer ein paar Geheimnisse bergen wird – und das ist gut so.

 

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Bildquelle: Matthias Zomer unter CC 0 Lizenz