Sportlerin mit Maske und Schild

Olympia 2021: Der kalkulierte Notstand?

Die Lösung ist, wie auch hierzulande, eine App sowie die drei Gs. Mehrmals am Tag wird getestet und Fieber gemessen. Sportler*innen beschrieben schon die Maßnahmen zur Einreise als Tortur. Manch einer brauchte acht Stunden vom Flugzeug bis ins Hotelzimmer. Personalien wurden aufgenommen, Papiere ausgefüllt, Aufenthaltsorte notiert. Wer saß im Flieger neben wem? Wer ist in wessen Team? Welche Mannschaft kam mit welcher Fluggesellschaft?

Trotz aller Maßnahmen, Expert*innen bleiben besorgt. Dabei gehe es gar nicht um die Teilnehmer*innen, so der Politikprofessor Koichi Nakano von der Sophia University in Tokio, sondern um die Spiele an sich. Die Anwohner Tokios sind genervt vom ständig verlängerten Notstand der Stadt. Die Regierung werde nicht mehr ernst genommen, Warnhinweise ignoriert, die Polizei belächelt. Und das in einem politisch homogenen Land wie Japan.

Die Folge: Die Menschen gehen auf die Straße. Aber nicht um zu protestieren, sondern um die Spiele zu unterstützen.

Frei nach dem Motto: Wenn ich nichts dagegen tun kann, dann kann ich sie mir wenigstens anschauen.

Und so standen bereits bei den Radrennen Reihen an Menschen hinter den Absperrungen. Als weiterer Faktor wird von Expert*innen die japanische Werbeagentur Dentsu gesehen, welche im Vorfeld der Olympischen Spiele als exklusiver Werbepartner Interesse an den Spielen schürte. Politikverdrossenheit und Stimmungsmache. Eine gefährliche Mischung, nicht nur in einer Pandemie.

Und spätestens beim Sieg der eigenen Mannschaft oder des favorisierten Teams sind alle Vorsichtsmaßnahmen schnell vergessen. So gab es bereits in den ersten Tagen Gruppenumarmungen der Teilnehmer*innen untereinander und ausgelassene Feierlaune bei den Siegerehrungen. Da bringt es auch nichts, wenn die Athlet*innen immer wieder an die sogenannten Playbooks (Corona-Regelwerk der Olympischen Spiele) erinnert werden. Gegen Freude kommt man mit Rationalität einfach selten an.  

Noch gibt es keine ernsthafte Sorge, dass Olympia zu einem zweiten Wembley werden könnte. Doch von Feierlaune, Leichtigkeit und einem internationalen Miteinander ist man leider auch sehr weit entfernt.

Der olympische Gedanke? Im Jahre 2021 wohl eher eine leere Worthülle als ein gelebter Zustand.

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Bildquelle: Pexels; CC0-Lizenz