
„Mama, du hast den lieber als mich“: Haben Eltern ein Lieblingskind?
Die Ungleichbehandlung hinterlässt Spuren
Auch wenn die meisten Eltern davon überzeugt sind, kein Lieblingskind zu haben, kommt bei den Kindern häufig etwas anderes an. Das geschieht nicht absichtlich, die Eltern sind sich noch nicht einmal bewusst darüber, dass sie ein Lieblingskind haben. Handelt es sich um eine kurze Phase der Bevorzugung, kann dies durch den anderen Elternteil kompensiert werden. Geschieht die Ungleichbehandlung über einen längeren Zeitraum, kann das negative Folgen haben. Die Auswirkungen reichen bis ins Erwachsenenalter und betreffen sowohl das Lieblingskind als auch die Geschwister und deren Beziehung zueinander.
Das Kind, das sich benachteiligt fühlt, kann später unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden und empfindet häufig Scham und Angst. Verhaltensprobleme und Aggressionen können die Folge sein, aber auch Depressionen. Manche Schattenkinder entwickeln aus dieser Schwäche die Kraft, sich von den Eltern abzugrenzen. Ihre Unabhängigkeit und Selbstständigkeit können am Ende wichtige Stärken werden.
Während Lieblingskindern von den Geschwistern und von außen unterstellt wird, viele Vorteile zu genießen, kann die Rolle auch zu emotionalem Stress führen. Sowohl die Schuldgefühle den Geschwistern gegenüber als auch das Verantwortungsgefühl den Müttern oder Vätern gegenüber können belastend sein. Der Druck, den hohen Erwartungen der Eltern zu entsprechen, lastet schwer auf ihnen und als Erwachsene sind sie oft diejenigen, die sich um die Pflege der Eltern kümmern.
Das können Eltern tun
Klar ist: Eltern können nie das exakt gleiche Maß an Aufmerksamkeit und Fürsorge für jedes Kind zu jeder Zeit aufbringen. Jedes Kind fühlt sich phasenweise benachteiligt, das Gefühl ist subjektiv. Wichtig ist, im Gespräch herauszufinden, warum das Kind das Gefühl hat, dass das Geschwisterkind bevorzugt wird, mit Verständnis zu begegnen und die Gründe zu erklären. „Kinder können sehr viel verstehen und annehmen, wenn man ihnen zuhört und ihre Gefühle ernst nimmt“, sagt Stotz.
Angemessene Förderung statt Gleichbehandlung
Während viele Ungleichheiten früher nicht angesprochen wurden, bemühen sich heute viele Eltern darum, den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Kinder gerecht zu werden. Eine ungleiche Behandlung und an Bedürfnissen orientierte Fürsorge ist etwas anderes als ein unterschiedliches Maß an Liebe. Das betont auch Stotz: „Eine Gleichbehandlung ist nicht sinnvoll: Jedes Kind braucht individuelle Behandlung.“ Verteilen Eltern hingegen Zuneigung unterschiedlich, empfinden Kinder das als ungerecht. In jedem Fall kann es eine Chance sein, sich darüber bewusst zu werden, ob man ein Lieblingskind hat, was die Gründe dafür sind – und was man tun kann, um allen Kindern Zuneigung zu zeigen.
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Foto: Vlada Karpovich via Pexels; CC0-Lizenz