Freundschaft The F-Word

Können Männer und Frauen befreundet sein?

„Jungs wollen niemals nur mit dir befreundet sein. Die führen immer was im Schilde!“, donnerte mir damals mein Ex-Freund mit voller Überzeugung entgegen. Geht das denn jetzt, Junge + Mädchen = Freundschaft?

Der neuste Streifen „The F-Word: Von wegen gute Freunde“ des englischen Regisseurs Michael Dowse befasst sich genau mit dieser Frage. Obwohl es ein zauberhafter Film ist von Freundschaft und Liebe, ist die Story schnell zu durchschauen.

Wallace, gespielt von Harry Potter-Star Daniel Radcliffe, lernt die freche und liebenswerte Trickfilmanimatorin Chantry, gespielt von Zoe Kazan, auf einer Party kennen. Sie verstehen sich super, er bringt sie nach Hause. Alles spitzt sich wie gewohnt auf die Liebesfilm typische Krönung des Abends zu: der Kuss vor der Haustür. Stattdessen gibt’s aber eine kalte Abfuhr. Chantry ist seit fünf Jahren mit dem Anwalt Ben zusammen. Und trotzdem, sie wollen es versuchen: Das Experiment Freundschaft beginnt.

 

Das Harry-und-Sally-Syndrom

 

Der Film widmet sich dem vielfach diskutierten Harry-und-Sally-Syndrom: Sally führt platonische Freundschaften mit Männern. Harry sagt, das gehe nicht: „Männer und Frauen können nie Freunde sein. Der Sex kommt ihnen immer dazwischen!“ Bis heute sorgt dieser Konflikt aus der Liebeskomödie Harry und Sally aus dem Jahre 1989 für mächtig Diskussionsstoff; vor allem in Zeiten von Mingles, in denen es so viel einfacher ist, sich nicht festzulegen und in einem Dazwischen von Freundschaft und Beziehung hängen zu bleiben.

In den Siebziger Jahren galten platonische Freundschaften noch als anormal. Heute lösen sich Stereotypen und Geschlechterrollen immer mehr in Luft auf und machen solche Freundschaften nur natürlich. Ob sie auch zu einer Liebesbeziehung werden können, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum Beispiel wie lange man schon befreundet ist. Der Schulfreund bleibt tendenziell auch in dieser Schublade stecken. Zu viel hat der schon gesehen. Klar, auch da kann es schon mal zu einem „1000 mal berührt, 1000 mal ist nichts passiert, 1000 und eine Nacht und es hat Zoom gemacht“-Moment kommen. Ausnahmen bestätigen nun mal die Regel.

 

Der Reiz des Neuen

 

Kritisch wird es bei neuen Bekanntschaften. Lernt man sich auf einer Party oder in einer Bar kennen, ist der Flirt schon vorprogrammiert. So gesehen in „The F-Word“. Zwar hat Chantry recht schnell klar gemacht, was sie von Wallace will, nämlich pure Freundschaft, doch waren das in dem Fall eher Worthülsen, die rechtfertigen sollten, irgendeine Art von Beziehung aufzubauen.

Beim Kennenlernen beginnt eine Phase, in der man ab und an überlegt, ob man den neu gewonnenen Freund nicht doch etwas mehr mag. Man versteht sich ja so gut. Das könnte doch Potential haben. Irgendwann kommt dann dieser eine Moment, der all die Fragezeichen im Kopf zum Schweigen bringt. Entweder es geht mehr und man knutscht plötzlich hemmungslos auf einer Party rum oder man lässt den Moment verstreichen. Denn die Weichen sind mittlerweile vollends auf die Freundschaftsschiene gestellt. Das bestätigt auch eine Umfrage unter 231 Teilnehmern der Kommunikationsforscherin Heidi Reeder. Laut dieser verspürten immerhin 39 Prozent am Anfang der Freundschaft eine romantische Anziehung.

 

Platonische Freundschaft? Evolutionsbiologisch schwierig!

 

Eine Studie der Universität von Wisconsin-Eau Claire befasst sich ebenfalls mit diesem Thema. „In den meisten Fällen existierte wenigstens ein Minimum an Anziehung zwischen den Männern und Frauen, selbst wenn beide beteuert hatten, dass ihre Freundschaft rein platonisch sei“, so die Studienleiterin April Bleske-Rechek gegenüber dem Spiegel.

Besonders Männer wären einem kurzen Liebesspiel nicht abgeneigt. Erklärung dafür bietet eine evolutionsbiologische Annahme: Umso mehr Geschlechtspartnerinnen ein Mann hat, umso höher stehen seine Chancen Nachkommen zu zeugen. Frauen sind da wählerischer und suchen gezielter nach dem Richtigen, denn einer reicht ja, um Nachwuchs zu zeugen.

Attraktivität ist hier das Stichwort. Finde ich meinen Kumpel als Frau attraktiv im Sinne von anziehend, wird’s schwierig. Finde ich ihn aber nur objektiv betrachtet gut aussehend, sprich er ist nicht mein Typ, dann sollte die Sache geritzt sein. Das bestätigt auch die Umfrage von Heidi Reeder. Allerdings gaben 28 Prozent der Teilnehmer an ihren engen Freund oder Freundin insgeheim doch körperlich anziehend zu finden. Das macht die Lage natürlich knifflig.

 

Eine Partnerschaft als Garantie?

 

„Ich versteh total, dass Jungs nicht auf Mädchen stehen, die einen Freund haben. Aber es ist so doof, weil es dir einfach das Gefühl gibt, das einzig Interessante an dir ist, wie du ohne Kleider aussiehst. Ich meine es sollte doch leichter sein, wenn man einen Freund hat, weil es dann keine Verwirrungen gibt,“ beschwert sich Chantry gegenüber Wallace.

Wenn in einer platonischen Freundschaft beide Seiten in einer festen Partnerschaft sind, kann das laut der Studie von Bleske-Rechek von Vorteil sein. Keine Verwirrung gibt es da, wie Chantry sagt. Allerdings nur so lange man sich in einer glücklichen und funktionierenden Beziehung befindet. Umso unzufriedener man in seiner Liebesbeziehung ist, desto eher fühlt man sich zu dem platonischen Freund/in hingezogen. Auch in „The F-Word“ läuft Chantrys Beziehung zu Ben langsam aus dem Ruder, was sie dazu bringt, ihr komplettes Leben neu zu evaluieren.

 

Schande über die zerteilende Sozialisation

 

Schuld für die nicht gleichgeschlechtliche Freundschaft ist wohl auch ein bisschen die Sozialisation. Wir werden darauf getrimmt, dass Mädchen und Jungs sich voneinander unterscheiden und das nicht nur dadurch, ob da was zwischen den Beinen baumelt oder nicht. Mädchen spielen mit Puppen, Jungs mit Autos. Und dann, während der Pubertät, beginnt der Balztanz um das andere Geschlecht. Sexuelle Motive stehen im Fokus der Annäherung, nicht der Wunsch nach bloßer Freundschaft. Und wenn Freundschaft, dann doch bitte mit Benefits.

 

Ein Plädoyer für die platonische Freundschaft

 

Hach, schwieriges Thema und wohl für immer ein wahrer Diskussionsfüller. Den Film können sich Skeptiker auch nicht wirklich als Beweis für das Scheitern von Männer- und Frauenfreundschaften unter den Nagel reißen. Von Beginn an spürt jeder Depp dieses Knistern zwischen Chantry und Wallace. Dem Zuschauer ist klar, dass das auf ein glücklich verliebt bis an ihr Lebensende à la Hollywood hinausläuft. So funktioniert es aber nicht in der Realität.

Ein paar Jahre später kam dieser besagte Ex-Freund wieder auf mich zu und sagte mir, dass ich wohl doch Recht hatte damals. Dass platonische Freundschaften doch funktionieren können. Genau, sie können funktionieren. Wohl nicht mit jedem und sind somit sicher schwieriger zu finden als gleichgeschlechtliche Freundschaften, aber es funktioniert, ganz ohne Hinterlist.

 

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Bildquelle: © Senator Film Verleih