Reichsbürger-Razzia: Presse schneller als die Polizei (erlaubt?)

Ein Prinz, eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin, ein KSK-Soldat, Querdenker und Q-Anon-Anhänger – die Details zur „Reichsbürger“-Razzia fluteten Mittwochmorgen letzter Woche rasant alle Nachrichtenportale. Waffen, Munition, gefälschte Impfpässe, 400 000 Euro Bargeld, Goldmünzen und Goldbarren – diese Funde wurden im Verlauf der Woche verstreut in verschiedenen Pressemeldungen bekannt gegeben.

Doch wie war die Presse auf die Razzia so einheitlich gut vorbereitet?

Wenige Minuten nach Beginn der Razzia veröffentlichten unter anderem die SZ, die Tagesschau, die „Zeit“ und der „Spiegel“ ausführliche Hintergrundartikel zu der noch andauernden Razzia. Nicht nur das, denn um die Einsatzorte tummelten sich auch schon Kamerateams und andere Medienschaffende, bevor die Polizeieinsatzkräfte überhaupt anwesend waren. Das Oxford-Wörterbuch definiert Razzia wie folgt: „überraschend durchgeführte polizeiliche Fahndungs- oder Durchsuchungsaktion in einem begrenzten Bezirk“. Überraschend für wen? Für die Medien in diesem Fall offenbar nicht.

Dass die Meldungen alle um kurz nach halb acht veröffentlicht wurden, lässt auf eine vereinbarte Sperrfrist schließen, von wem diese kam, ist nicht bekannt. Die größere Frage ist jedoch, wie überhaupt so viele Medienhäuser vorab von der Aktion wussten. Es gibt dabei zwei logische Möglichkeiten: Erstens, Investigativrecherchen beschäftigten sich selbstständig mit der terroristischen Gruppierung und wurden bei Nachfragen an die Behörden gebeten die Füße bis 7:30 Uhr am 7. Dezember still zu halten. Zweitens, durch persönliche Kontakte zu den Sicherheitsbehörden oder der Politik sind vertrauliche Informationen durchgesickert. Aufgrund der schnellen detaillierten Berichte lässt sich davon ausgehen, dass es vorher zumindest auf irgendeine Art und Weise, ob offiziell abgesprochen oder privat durchgesteckt, Informationen aus Sicherheitskreisen gegeben hat.

gefährliche Informationen – von wem und für wen?

Diskrete Vorabinformationen zu sammeln gehört auch zur Aufgabe von Journalisten und Journalistinnen. Dennoch stellt sich die Frage nach Integrität und Sicherheit, bei einem Fall in dem sowieso schon Leute aus den staatlichen Sicherheitsbehörden verdächtigt werden. Wenn hunderte Menschen in den Redaktionen der Zeitungen und Sender davon wussten, lässt das nicht ausschließen, dass auch in der „Reichsbürger“-Szene gemurmelt wurde. Soweit bekannt konnte zwar niemand fliehen, doch ob eventuell schon Beweismaterial vernichtet wurde, lässt sich im Nachhinein schwer feststellen. Zudem wird der Gruppe eine hohe Gewaltbereitschaft attestiert, was bei einer Warnung über eine bevorstehende Razzia zu einer Gefahr für Einsatzkräfte und Medienschaffende am Zugriffsort werden kann.

NDR-Journalist Marcus Engert sieht das Pressevorgehen kritisch und verweist auf „die Sorge oder de[n] Wunsch der Zivilgesellschaft, dass Maßnahmen wie diese dann auch den größtmöglichen Effekt erzielen und zwar gemessen an der Beweissicherung, nicht an der Berichterstattung“.

Über die Art und Weise der Berichterstattung zu debattieren ist wichtig und richtig, doch sollte man dabei auf keinen Fall aus den Augen lassen, was das eigentliche Thema ist. Der NDR- und WDR-Journalist Manuel Bewarder schreibt dazu passend:

„Schon interessant, dass heute fast lauter darüber diskutiert wird, warum Journalisten von Durchsuchungen wussten (was ihr Job ist) – und irgendwie leiser über die Gefahr von Rechtsaußen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“

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Bildquelle: René Ranisch von Unsplash; CC0-Lizenz