„Mir wurde die Jacke angezündet“: Riccardo Simonetti kämpft gegen Mobbing

Der Kinder-TV-Sender Cartoon Network geht mit seiner Anti-Mobbing-Kampagne in die zweite Runde. Das „Team Buddy“-Projekt will mit dem Credo „Liebe dich selbst so wie du bist und feiere auch andere für ihre Besonderheiten“ für mehr Toleranz kämpfen, Individualität fördern und Kinder und Jugendliche für das Thema Mobbing sensibilisieren. Mit einer Aktionsseite und dem Kampagnenspot, der im TV sowie auf dem YouTube und Facebook-Kanal von Cartoon Network Deutschland zu sehen ist, soll Betroffenen Mut gemacht und Selbstbewusstsein vermittelt werden. Andererseits will CN den Kindern ans Herz legen, diejenigen, die anders sind, nicht als schwächer wahrzunehmen und lieber zum Team Buddy als zum Team Bully zu gehören.

Gesicht der Kampagne ist dieses Jahr Instagram-Star und Entertainer Riccardo Simonetti, der schon früh lernte, seine Andersartigkeit trotz Mobbingattacken zu feiern und genau die zu seinem Markenzeichen zu machen. „Wenn sich jeder Mensch trauen würde, seine ganze Individualität auszuleben, würde doch so viel aufregendes Potenzial freigesetzt werden!“, sagt Riccardo. Im Gespräch mit ZEITjUNG erzählt er, warum ihm „Team Buddy“ so am Herzen liegt.

ZEITjUNG: Du bist online sehr präsent. Erlebst du Cyber-Mobbing?

Riccardo: Manchmal ist es schon erschreckend, was sich Menschen rausnehmen. Die meisten wähnen sich in der Anonymität des Internets und begreifen gar nicht, dass da eine reale Person am anderen Ende sitzt, deren Gefühle real verletzt werden. Dabei rede ich nicht einmal von Beleidigungen, sondern meist ist es Kritik an Dingen, die nicht kritisierbar sind – wie zum Beispiel meine Sexualität. Schreibt jemand „Stirb du elende Schwuchtel“, dann verletzt mich selbst das nicht so sehr, ich mache mir hier eher Sorgen um meine Fans.

Inwiefern?

Viele User kommen auf mein Profil, weil sie sich vielleicht mit mir identifizieren können, weil sie anders sind, und weil sie sich ein bisschen Selbstbewusstsein abgucken wollen. Wenn sie dann aber so was lesen, sind sie gehemmter, weil sie Angst haben, nur solche Reaktionen zu bekommen.

Wie reagierst du darauf?

Ab und zu nehme ich Stellung dazu, z.B. in einem Videopost. Aber ich befinde mich hierbei immer in einem Konflikt, weil ich den gemeinen Kommentaren weder zu viel Aufmerksamkeit schenken, noch sie löschen will. Ich will zeigen, dass mir das genau so passiert, wie allen anderen. Auf der anderen Seite möchte ich nicht, dass die, die Trost suchen, total eingeschüchtert werden. Häufig antwortet aber eh meine Fanbase.

Bildquelle: Matthias Nareyek/Getty Images for Turner

Hättest du dir manchmal gewünscht „ganz normal“ zu sein?

Als Kind habe ich mir das manchmal gewünscht, aber ich wusste, dass das für mich nicht funktioniert. Ich habe akzeptiert, dass das, was mich anders macht, nicht mein Fehler ist – sondern etwas Besonderes und Schönes, das ich ausleben will.

Was hat dir geholfen, das zu akzeptieren?

Ich habe mich in eine Parallelwelt hinein geträumt. Eine Welt, in der ich gefeiert werde, für das was mich hier so anders macht. Ich hoffe, dass alle, die Mobbing erfahren, trotzdem von einer Zukunft träumen können, die es wert ist, gelebt zu werden. Mir wurde zum Beispiel mal im Bus die Jacke angezündet, da wird einem die eigene Verletzlichkeit bewusst. Diese Parallelwelt hat mich gerettet und ist jetzt mein Zuhause.

Hast du in dieser Welt immer noch das Gefühl, gegen den Strom zu schwimmen?

Ich schwimme einfach in die Richtung, die mir passt. Manchmal läuft die gegen den Strom, manchmal mit dem Strom. Ich versuche immer, meine eigenen Entscheidungen zu treffen: Wenn diese das ist, was gerade alle cool finden – super, wenn nicht – auch super. Aber natürlich kostet es mich genauso viel Kraft, anders zu sein, wie alle anderen. Selbstbewusstsein ist kein fixer Zustand, den man irgendwann erreicht hat. Das kann innnerhalb von Sekunden in sich zusammenfallen – auch bei mir.

Wo kannst du deine Kraft wieder auftanken?

In Los Angeles. Da gibt es so viele spannende, skurrile und einzigartige Menschen, die friedlich co-existieren und sich gegenseitig für ihre Individualität feiern. Ich kann da ganz entspannt sein, ohne negative Vibes zu spüren. Das möchte ich in Deutschland unbedingt auch etablieren.

Mit dem „Team Buddy“ Projekt?

Genau. Das Individuum hat sich der Masse untergeordnet – und wir möchten jetzt den Kindern so früh wie möglich beibringen, dass sie anders sein dürfen. Dass sie sich selbst und andere genauso akzeptieren können, wie sie sind. Dass Ausgrenzung keinen Platz mehr haben darf. Die Werkzeuge für ein wohlwollendes Zusammenleben haben wir schon in der Hand. Jeder weiß, dass Mobbing schlimm ist, und trotzdem sieht die Realität leider noch anders aus.

Stimmt. Was denkst du, geht denn in den Tätern vor?

Unsicherheit. Sich besser fühlen, wenn man andere runter macht, funktioniert ja auch – kurzfristig. Aber ich denke auch, einige Menschen merken auch einfach nicht, wie sie andere verletzen. Sie denken sie seien im Recht, bis es eskaliert. Genau deshalb ist unsere Kampagne so wichtig: Bewusstsein schaffen. Unter den Bullys aber auch unter allen anderen Beteiligten.

Warum denkst du, ist es so schwierig für die Mitschüler einzugreifen?

Die Beziehungen und Vorgeschichten an einer Schule sind sehr komplex. Vielleicht ist die Mobberin eine Freundin von mir und ich will ihr nicht in den Rücken fallen. Vielleicht habe ich Angst, selber in die Schusslinie zu geraten. Nichtsdestotrotz ist es natürlich dennoch wichtig, einzugreifen: Einen Erwachsenen holen, einen älteren Schüler, oder einfach nur sagen: „Hey nicht alle denken so. Ich bin für dich da.“

Warst du selber schon mal Bully?

Bewusst sicher nie. Ich war auch nie in der Position dazu. Bestimmt habe ich schon Dinge gesagt, die nicht okay waren, aber ich habe meine Fehler immer schnell eingesehen. Toleranz kann man erst predigen, wenn man akzeptiert, dass nicht alle so denken und sind wie man selbst.

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Matthias Nareyek/Getty Images for Turner