sag doch einfach was du willst

Schluss mit dem Subtilitäts-Samba: „Sag doch einfach, was du willst!“

Oh, es ist ein ewiger Tanz. Nennen wir ihn Subtilitäts-Samba – der ist wohl einstudiert und scheinbar auch von fast jedem Individuum beherrscht. Der Tanz geht ungefähr so: Ich teile dir unterschwellig mit, was ich will – und dann darf der andere reagieren. Laien versuchen sich oft verzweifelt daran, das Tempo mitzuhalten. Denn das Problem ist: Nicht jeder kapiert, welcher Tanzschritt als nächstes folgen soll. Im Klartext bedeutet das Bild des Subtilitäts-Samba folgendes: Wenn du etwas vom anderes willst, erwartest oder dir wünscht… dann SAG es einfach.

Deine Gefühle und Wünsche nur für uns zu behalten, ist erschöpfend. Beziehungsweise nein, denn für uns behalten wir sie ja nicht – wir übersetzen sie in komische Morsezeichen. Und so morsen wir fröhlich zu unserem Partner, zu unseren Freunden und zu unseren Vorgesetzten – in der Hoffnung, sie würden schon kapieren, was wir unterschwellig damit sagen wollen.

„Gut, kein Problem für mich, wenn du die Zeit lieber mit jemand anderem verbringen willst! Wir sehen uns aber eh so selten.“

Oft ist da die Krux folgende: je besser wir eine geliebte Person kennen, desto eher gehen wir davon aus, sie könnte uns richtig einschätzen – und somit auch ohne Worte wissen, was wir wollen. „Aber du kennst mich doch!!“ ist in diesem Zusammenhang ungefähr der Killer. Ja, wir kennen uns. Aber das heißt nicht, dass ich sicher sagen kann, wo dein Gedankenkarussell gerade angehalten und eine Idee abgesetzt hat.

Vielleicht sollten wir mehr Klartext im Alltag reden und nicht mehr unsere Gefühle in uns rein mampfen, wie es das Cookiemonster mit Keksen tut. Denn wir alle haben bitter gelernt – es geht ja sowieso nicht. In einer dummen Situation nichts zu sagen, verfolgt uns noch Stunden oder Tage später. Gefühle für sich zu behalten ist wie Luft anhalten… und irgendwann müssen wir so tief Luft holen, dass andere erschrecken. Das ist dann der Moment, in dem alles aus uns rausplatzt– und das ist meistens nicht schön!

„Das müsstest du doch mittlerweile wissen, verdammt!“

Es gibt gute Gründe, etwas nicht anzusprechen. Das Timing ist ein großer Faktor und vor allem auch die Situation, in der Dinge bequatscht werden sollten. In Freundschaften wie in Beziehungen sollten wir uns natürlich überlegen, wann es sinnvoll ist, mit unserem kompletten Gefühlszustand rauszurücken. Wenn mich beim Shoppen eine Freundin fragt, ob das Outfit zu ihr passt, dann kann ich ehrlich antworten. Wenn sie mich aber erst im Club nach meiner Meinung fragt, dann halte ich so was von die Klappe. Ihr jetzt zu sagen, dass sie leider aussieht wie Oma unterm Arm, bringt uns allen nichts – außer dass sie sich den Rest des Abends beschissen fühlt und nichts daran ändern kann.

„Mensch, kennst du mich denn nicht? Hörst du überhaupt zu?“

In bestimmten Situation verhält es sich dagegen anders. Beim Sex zum Beispiel. Greifen wir bei unserem ’significant other‘ mal voll daneben oder auch er, dann bitte: klare Ansage! Es ist unfair zu erwarten, unsere stillen Gedankenblüten und Gelüste können sich beim Partner irgendwie manifestieren – wenn wir die Klappe nicht aufmachen. Der andere wird nie erfahren, wie es in euch aussieht, wenn ihr nicht einen Ton davon laut aussprecht. Und in festen Beziehungen werfen wir uns den Ball der Erwartungshaltung ja eh konstant hin und her. Wie viele von uns sind Meister im Spielen? Das Spiel, das ich meine, heißt „Mensch, warum kennst du mich denn nicht?“. Dabei liegt die Lösung doch auf der Hand – wenn du was vom anderen willst, das sag es laut! Dann bekommst du es nämlich vielleicht auch.

Vor allem in Langzeitbeziehungen und langen Freundschaften beherrschen wir die Spielregeln der emotionalen Erpressung einfach hervorragend. „Ich will dich nicht zum Abwaschen herzitieren, weil ich will, dass du mir von alleine beim Abwaschen helfen willst!“

Die vier Seiten einer Nachricht

Um zu veranschaulichen, was subtile Aussagen so mit uns anstellen, nehmen wir mal die Aussage Es ist ganz schön kalt, gerichtet an euren Boy beim Spaziergang am Fluss. Viele von uns wissen sofort: Es geht darum, dass er von alleine seine Jacke oder seine Umarmung anbietet. Aber: Jede Nachricht kann mit vier verschiedenen Ohren empfangen oder interpretiert werden: so sagt das der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun. Wir haben ein Sachohr, ein Selbstoffenbahrungsohr (So siehst du dich), ein Beziehungsohr (So siehst du mich) und Appellohr. Was das heißt? Das Sachohr kann hören „Die Temperatur ist gering“. Das Selbstoffenbarungsohr sagt „Wenn es doch nur wärmer wäre!“, das Beziehungsohr hört vielleicht „Ey, ich fühle mich hier unwohl. Mit dir!“ und das Appellohr sagt eigentlich „Biete mir deine Jacke an, Digga!“.
Die Chance, dass dein subtiler Antanzversuch richtig ankommt, liegt also bei 1:4. Ziemlich risky.

Nonverbale oder auch verquere subtile Hinweise gepaart mit unausgesprochenen Wünschen begraben aber jedes gute Verhältnis auf Dauer. Und hier ist die Lösung: es musst nicht immer die richtige sein, und vielleicht ist es auch nicht die richtige für dich, aber hier ist sie: Sag etwas! Entwickle das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt, finde die richtigen Worte und dann raus damit! Es könnte sich lohnen!

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