Schülerinnen beim Lernen

Schulnoten: Unzeitgemäß und überholt oder notwendiges Übel?

Schulnoten verstärken die Chancenungleichheit 

Das sind aber bei Weitem nicht die einzigen Probleme, die sich durch das konventionelle Benotungssystem ergeben. Denn Noten sind nämlich vor allem eins: ungerecht. Natürlich hängen diese bis zu einem gewissen Grad von dem Verhältnis der Lehrkraft zu den Schüler*innen ab (niemand ist vollständig objektiv). Und – was nebenbei bemerkt auch viel schwerer wiegt, ist es Studien zufolge durchaus so, dass Kindern aus Akademikerhaushalten mehr zugetraut wird als Kindern mit sozial schwachem Hintergrund. So spielen auch unterbewusste Vorurteile bei der Notenvergabe eine Rolle. Zudem sind Noten auch extrem unpräzise, da Schüler bei der Einschätzung ihrer Leistungen mithilfe einer Skala von 1-6 nicht das differenzierte Feedback erhalten, das sie benötigen, um ihre Leistungen zu verbessern. Denn woher sollte ein Kind mit einer 4 in Deutsch anhand dieser Bewertung wissen, ob es seine Rechtschreibung oder doch eher die Formulierungen verbessern sollte? So werden individuelle Fähigkeiten aber auch im größeren Rahmen durch das Notensystem außer Acht gelassen. Es könnte also durchaus passieren, dass jemand mit einer bemerkenswerten Begabung in den Naturwissenschaften vielleicht nicht studieren kann, weil er die erforderlichen Leistungen in den Fremdsprachen nicht erbringen konnte. Und das wäre nicht nur furchtbar für die betreffende Person, sondern auch gesamtgesellschaftlich betrachtet eine vermeidbare Verschwendung von intellektuellen Ressourcen. 

Rasterzeugnisse und Zeugnistexte als Alternative

Mittlerweile gibt es jedoch auch Alternativen zum klassischen Benotungssystem. So könnten Bewertungstexte, wie sie aus der Grundschule bekannt sind, eine hilfreiche Methode sein, um Schüler*innen und Eltern ein differenziertes Bild der bisherigen Leistungen anzubieten. (Wobei hier natürlich auch die Gefahr von Floskelbildungen gemäß a la „stets bemüht“ besteht, die Pädagog*innen und Eltern dazu verleiten könnte, diese in Bezug zu den Zensuren zu setzen.) Diesem Problem könnte aber mit der Verwendung von sogenannten „Rasterzeugnissen“ entgegengewirkt werden. Dabei handelt es sich um eine umfassende Bewertungsmöglichkeit, bei dem die gesamten Bereiche und Kompetenzen, die ein Fach ausmachen, abgedeckt und entsprechend der individuellen Leistung bewertet werden. Sicherlich macht die konventionelle Notengebung die Bewertung unkompliziert und einfach für die Lehrkräfte. Und natürlich sind Alternativen wie ausführliche Texte und komplexere Bewertungsskalen aufwendiger und nehmen mehr Zeit in Anspruch. Aber sollte diese Zeit in Anbetracht der vielen negativen Effekte und der schwerwiegenden Konsequenzen, die das klassische Benotungssystem auf unzählige Schüler*innen hat, nicht aufgebracht werden? Vielleicht würde es dem*der einen oder anderen Lehrer*in durchaus guttun, sich damit auseinanderzusetzen, was „schlechte“ Schüler*innen wirklich gut können. 

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Bildquelle: Jeswin Thomas on Unsplash, CC0-Lizenz