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Von Tätern und Täterinnen: Sexuelle Gewalt hat kein Geschlecht

Die italienische Schauspielerin Asia Argento galt als eine der ersten, die Harvey Weinstein des sexuelles Missbrauchs bezichtigten. Er soll sie im Jahre 1997 in einem Hotelzimmer vergewaltigt haben. Auf Grund dieses Erlebnisses schloss sie sich im Oktober 2017 der MeToo-Bewegung an und galt neben der Initiatorin Tarana Burke als eine der Vorreiterinnen der Debatte. Nun soll sie laut der Süddeutschen Zeitung selbst ihren minderjährigen Schauspielkollegen Jimmy Bennett sexuell belästigt haben.

Ähnlich wie bei ihrem eigenen Missbrauch soll sie Bennett in ihr Hotelzimmer gelockt und Sex mit ihm gehabt haben. Infolgedessen zahlte Argento ihm im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung 380.000 Dollar, um einem Gerichtsprozess vorzubeugen. Nun wendet sich Jimmy Bennett, bestärkt durch die auch von Asia Argento vorangetriebene MeToo-Debatte, selbst an die Öffentlichkeit und macht deutlich, dass auch Männer Opfer sexueller Gewalt werden können.

 

Das Geschlecht spielt keine Rolle

 

Natürlich ist das keine Neuigkeit. Aber dennoch tendiert die Gesellschaft teilweise dazu, die Opferrolle ausschließlich mit Frauen zu besetzen und den Mann als schwanzgesteuerten Aggressor darzustellen und als Herrscher über sexuellen Krieg und Frieden zu identifizieren. Es ist zwar tatsächlich so, dass die meisten Belästigungen von Männern getätigt werden. Aber in der aufwühlenden und mit tausenden Emotionen ausgefochtenen MeToo-Debatte vergessen wir oft, dass auch Männer Opfer sexueller Gewalt werden können. So hat laut ZEIT eine Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergeben, dass 12% der Männer im Vergleich zu 19% der Frauen schon einmal unerwünscht berührt worden sind. Ungefähr 20% der Straftaten werden dabei von Frauen begangen. Dennoch würden Männer niemals sagen, dass sie sexuell belästigt wurden, sagt der Mediator Willibald Walter im Gespräch mit der ZEIT. „Im öffentlichen Bewusstsein findet sexuelle Belästigung nur umgekehrt statt, also von Männern gegenüber Frauen. Übergriffiges Verhalten und Sexismus gibt es aber in der Arbeitswelt in beide Richtungen„, so Walter weiter. Die These, dass sich Männer besser gegen sexuelle Belästigung wehren können, relativiert er: „Sexismus hat nichts mit körperlicher Überlegenheit zu tun, sondern mit Machtverhältnissen. Problematisch ist, wenn Menschen in Machtpositionen die Möglichkeit haben, sich ungestraft abwertend oder sexistisch gegenüber Untergebenen zu verhalten, egal, welches Geschlecht sie haben.

 

Vom Opfer zum Täter

 

Dieser Ansicht stimmt auch das feministische Magazin Emma zu: „Bei sexueller Gewalt geht es nicht um das Geschlecht der Opfer, es geht um die Macht der Täter.“ Und manchmal kommt diese nicht von ungefähr, denn einige Täter sind früher einmal selber Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden. Meistens sind Traumata im Kindesalter, die durch sexuellen Missbrauch entstanden sind, ausschlaggebend für die spätere Wandlung des Opfers zum Täter. Dabei würde die Bewältigung des durch den Missbrauch ausgelösten Traumas das Risiko erhöhen, selbst zu einem Täter von sexuellem Missbrauch zu werden, schreiben Heiko Lindhorst und Dieter Urban in ihrem Magazinbeitrag. Denn bereits in den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für den späteren Umgang mit Problemen und Konflikten gelegt, erklärt 3sat.

Wenn Kinder in diesem Alter mit Ablehnung konfrontiert oder sogar missbraucht werden, prägt das ihre Beziehungsfähigkeit. Sie wachsen ohne Stabilität und Sicherheit auf und lernen keine sozial akzeptierten Strategien kennen, mit denen sie ihre Frustration bewältigen können. Auch spielt die Wahl der Freunde in der Pubertät eine wichtige Rolle. Geraten schwache Jugendliche in dieser Phase an falsche Freunde, so verstärken sie ihre negativen Verhaltensweisen und unzureichenden Konflliktlösungsstrategien. Gewalt scheint das einzige Mittel, um Probleme zu regeln und da sie ohne Bezugsperson aufgewachsen sind, empfinden sie keine Empathie. Für niemanden.

 

Doppelmoral? Fehl am Platz.

 

Dass ein ehemaliges Opfer wie Asia Argento mal ein Täter wird, ist nicht auszuschließen. Aber keine dieser Gegebenheiten ändert etwas an der Sache, dass ein Täter ein Verbrecher ist und mutwillig anderen Menschen Schaden zufügt. Nichts entschuldigt den Missbrauch eines Menschen, egal welchen Geschlechts. Doppelmoral und undifferenzierte Weltanschauungen? Fehl am Platz. Darin sind sich die Medien (wie beispielsweise der Stern) einig: auch Argentos Verbrechen muss bestraft werden. Jetzt von Scheinheiligkeit zu reden oder die Sinnhaftigkeit der MeToo-Debatte anzuzweifeln, bringt nichts. Viel mehr werfen die jüngsten Ereignisse ein neues Licht auf die Diskussion und führen uns neue Sichtweisen vor Augen. Lasst uns solidarisch miteinander sein. Nur so können wir, Männer und Frauen, die Täter zu Grunde richten.

 

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz