Gehörte Töne, die einen Geschmack erzeugen? Bei Synästhesie keine Seltenheit. Bild: Pexels

Synästhesie: Wie schmeckt eigentlich Musik?

Denise: Ich kannte niemanden, bis ich damals an einer Medienuniversität studiert habe. Inmitten von kreativen Leuten war ich plötzlich umgeben von Synästhet*innen. Ich glaube zwar nicht, dass nur kreative Leute das haben, aber ich glaube, dass sie es leichter erkennen und den passenden Begriff dafür finden. Sehr viele Jahre meines Lebens hatte ich ja auch kein Wort dafür, sondern dachte, dass es jedem so geht. Erst als Jugendliche habe ich erfahren, dass es anders ist.

Rahel: Das kann ich mir vorstellen. Ich denke, dass gerade kreative Berufe Menschen anziehen, die die Welt etwas anders wahrnehmen. Würdest du sagen, dass du sensibler bist als andere Menschen? Oder bist du schnell überfordert?

Denise: Definitiv. Ich bin rein gar nicht multitaskingfähig und gerade, wenn ich arbeite, brauche ich viel Ruhe. Ich arbeite aktuell beim Fernsehen und dort meistens nachts, weil ich da besser entspannen kann. Manchmal arbeite ich auch tagsüber, aber da merke ich schnell, dass mir viele Reize zu viel werden. Wenn ich das Haus verlasse und allein unterwegs bin, trage ich meistens große Kopfhörer, weil mir meine Umgebung schnell zu laut wird. Das heißt nicht, dass ich nicht auch mal gerne raus gehe oder in Menschenmassen bin. Aber das ist dann meist auf einen Tag oder Abend beschränkt und danach habe ich wieder meine Ruhe.

Rahel: Ja, das glaube ich. Menschenmassen können ja schon für allgemein sensiblere Personen sehr überfordernd sein. Das ist jetzt eine etwas heikle Frage, aber wurde dir schon einmal vorgeworfen, Synästhesie wäre eine psychische Krankheit?

Denise: Nicht ganz, aber mir wurde als Kind oft gesagt, dass ich sehr seltsam bin. Nicht von meiner engeren Familie, aber vom Bekanntenkreis. Die meiste Zeit hat es aber niemanden interessiert. Ich trage meine Synästhesie aber auch nur in ganz seltenen Fällen nach außen. Das ist ja vielmehr in innerlicher Prozess.

Rahel: Okay, eine Frage noch. Würdest du sagen, dass sich die Synästhesie im Laufe deines Lebens geändert hat? Ist sie z.B. stärker oder schwächer geworden?

Denise: Tatsächlich nicht. Bei vielen Bekannten hat sie sich erst in der Jugend richtig entwickelt, bei mir war sie schon immer da. Ich kenne es gar nicht anders. Glücklicherweise kann ich inzwischen jedoch auch Dreiecke rot malen, (wenn ich es muss.)

Rahel: Zum Glück kommt das ja nicht mehr so häufig vor wie im Kindergarten. Danke dir für das tolle Interview!

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Bildquelle: Mikhail Nilov von Pexels; CC0-Lizenz