Hadnet Tesfai und Tarik Tesfu von „Tratsch&Tacheles“

Politischer Friseurbesuch: „Tratsch & Tacheles“ im Interview

Wie politisch muss oder darf Tratsch sein?

H: Da wirst du jetzt zwei Antworten bekommen. Tarik wird sagen: „Das muss er nicht immer sein.“

T: Nein, ich wollte sagen: Alles ist politisch!

H: Manchmal diskutieren wir auch darüber, inwiefern die Politisierung dieses ganz Privaten und unserer eigenen Person uns auf die Nerven geht.

T: Genau, aber da geht es eher darum, was trage ich nach außen und was teile ich mit anderen. Aber ich glaube, dass alles, was wir tun, politisch ist. Was wir trinken, was wir essen, was wir anhaben oder auch nicht anhaben, worüber wir sprechen, hat immer eine politische Komponente. Die Frage ist, muss das immer so explizit in unserem Podcast thematisiert werden, denn die politische Ebene beginnt für mich ja auch schon viel früher. Bevor wir überhaupt ein Wort gesagt haben, sitzt hier eine schwarze Frau und dann sitzt hier noch ein schwarzer Typ, der queer ist, und diese beiden Menschen sprechen in einem deutschen Mediensystem, was vornehmlich weiß ist, über die Themen, auf die die beiden Bock haben. Und dann kommt on top hinzu, dass wir beide auch noch eine ähnliche Migrationsgeschichte haben. Das ist schon ein sehr besonderer Moment und da beginnt für mich die politische Ebene. Und dann ist es für mich ein bisschen egal, über was wir sprechen, allein das macht alles, worüber wir sprechen, automatisch politisch – es gibt nichts Unpolitisches.

H: Aber auch, wenn wir uns entscheiden, ein vordergründig nicht politisches Gespräch zu führen, das uns aber vielleicht direkt betrifft, ist das auf jeden Fall auch eine politische Entscheidung – wobei zwei Personen, die so sozialisiert sind, wie Tarik es gerade beschrieben hat, sich bewusst die Freiheit nehmen, es nicht anzusprechen. Also zu sagen, wir nehmen uns den Raum, nicht explizit politisch zu sein.

Tarik, du hattest in einem Interview bei Late Night Berlin ein Kleid an und die Leute haben daraus direkt ein politisches Statement gemacht. Nervt es euch, dass ihr ständig politisiert werdet?

T: In dem speziellen Fall nervt es mich nicht, denn ich habe es ja ganz bewusst so gewählt. Es war für mich klar, wenn ich so ein Interview mache, dann muss das auch gesehen werden. Mein Ziel war es, Geschlechtererwartungen in Form meines Kleides zu hinterfragen. Willkommen in 2021!

H: In unserem 2021!

T: In unserem 2021! So sehen Menschen aus, wenn sie das machen, worauf sie Bock haben. Dass dieses Kleid eine politische Ebene hat, war mir total bewusst und ich habe das auch genauso genutzt. Ich glaube der Unterschied ist, wenn andere daraus ein Politikum machen. Wenn mir Sachen vordiktiert werden, dann denke ich mir schon: Momentchen mal! Aber in diesem Fall hatte ich mich ganz bewusst für ein politisches Statement entschieden. 

Wenn wir in die USA schauen, dann sehen wir eine noch extremere Verstrickung von Politik und Tratsch. Fehlt euch das in Deutschland?

H: Es gibt auf jeden Fall eine andere Verstrickung von Politik und Unterhaltung in den USA. Ich würde das jetzt noch gar nicht direkt auf den Boulevardteil beziehen. Aber es gibt auf jeden Fall eine andere Verstrickung zwischen Politik und Unterhaltungsbranche und dort ist es eben auch nicht so verpönt, dass diese beiden Bereiche sich so nahestehen. Amerikanische Politiker*innen gehen ja auch ganz anders in Talkshows und benehmen sich da auch anders. Wenn das Olaf Scholz machen würde, wären wir alle stark irritiert. Und das ist auch okay, man muss sich auch nicht auf Teufel komm raus diese amerikanische Leichtigkeit, oder eher Lockerheit, überstülpen. Ehrlich gesagt entspricht das auch einfach nicht dem deutschen Naturell. Lustigerweise war in der Folge, die wir gerade aufgenommen haben, unser Haupttratsch voll mit deutschen Themen. Aber grundsätzlich schauen wir schon auch, was hat Amerika mit Deutschland zu tun und welche Wirkung hat das auf uns. Am Ende des Tages sind Meldungen, auch die, über die wir hier sprechen, globale Meldungen. Die Unterhaltungsbranche ist sehr global, wir zelebrieren amerikanische Künstler*innen auch hier. Wobei heute haben wir auch sehr viel über die „No Angels“ gesprochen. Tarik ist ganz aufgeregt – es kommt nämlich ein neues Album. Ich muss aber auch nochmal ganz ehrlich sagen, was bei „Promis unter Palmen“ oder im „Sommerhaus der Stars“ passiert, das interessiert mich schlicht und ergreifend nicht, das geht mir auch in der Menschenverachtung zu weit. Wir beschäftigen uns hier auch nicht mit „Love Island“ oder so. Das fassen wir nicht an, das lassen wir schön am Boden liegen.

Wenn man über Tratsch in Amerika redet, dann muss man ja auch über die Kardashians reden.

H: Oh nein, du auch? Die sind sehr oft Thema bei Tarik.

T: Also, bei uns, Hadi!

H: Ich habe noch keine einzige Folge von Keeping Up with the Kardashians geguckt. Tarik hat jetzt aufgeschlossen und ist fast bei den neuesten Folgen angekommen, aber darüber reden wir auch in unserer aktuellen Folge. Wir reden tatsächlich auch sehr lange über die Kardashians und über unterschiedliche Ansichten zu dem Thema.

Tarik Tesfu (links) und Hadnet Tesfai (rechts) von „Tratsch & Tacheles“ // Foto: Conrad Bauer