Voluntourismus: Wie dein Helfersyndrom dem Globalen Süden schadet

Der Glaube, in einem Entwicklungsland wie Tansania auch ohne Vorkenntnisse helfen zu können, ist nicht nur weit verbreitet. Er hat sich inzwischen sogar zu einem Trend entwickelt: dem sogenannten Voluntourismus. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „Volunteering“ (deutsch: Freiwilligenarbeit) und Tourismus zusammen. Unter Voluntourismus versteht man also die Idee, kurzzeitige Freiwilligenarbeit mit einer Erlebnisreise in ein fernes Land zu verknüpfen. Vor allem bei jungen Menschen ist diese Art des Reisens beliebt.

Was sich zunächst nach einem guten Konzept anhört, kann allerdings problematisch werden. Die Freiwilligenarbeit stellt Dreher zufolge eine Gefahr für die Wirtschaft und die Entwicklungspolitik dar: „Freiwillige nehmen Einheimischen oft Arbeitsplätze weg und zerstören den Markt, indem sie europäische Produkte in das Entwicklungsland schicken.“

Helfer*innen sind kaum ausgebildet

Während ihres Aufenthalts in Tansania zweifelt Anja nie daran, dass ihre Arbeit sinnvoll ist. Sie muss oft als Lehrassistentin an einer Schule Englisch unterrichten und hat somit das Gefühl, den Kindern eine Zukunft bieten zu können. Und das obwohl sie sich im Klassenzimmer oft denkt: „Was mach ich da eigentlich?“

Was es bedeutet, Lehrerin zu sein, erfährt sie erst vor Ort: Sie fühlt sich manchmal überfordert, muss selbst kreativ werden und sich überlegen, wie sie die Kinder unter Kontrolle bekommt. Denn in ihrem zweiwöchigen Vorbereitungsseminar wurde sie hauptsächlich über den christlichen Glauben und die Krankheiten aufgeklärt, die sie sich in Afrika einfangen könnte. Der pädagogische Aspekt spielte nur am Rande eine Rolle.

Wenn sie nicht als Lehrassistentin tätig war, schlüpfte sie manchmal in die Rolle der „Krankenschwester“ und behandelte kleinere Verletzungen – obwohl ein Erste-Hilfe-Kurs nicht einmal Bestandteil des Vorbereitungsseminars war. Es gab auch Freiwillige, die schon eine Ausbildung abgeschlossen hatten und ihre Kenntnisse einsetzen konnten, wie zum Beispiel einen Schreiner, der Möbel reparieren konnte.

Die Kinderbetreuung sei ein wichtiger Bestandteil von Voluntourismus-Projekten. Als besonders problematisch sieht Dreher den Einsatz von Freiwilligen in Waisenhäusern: „Freiwillige sind vor Ort, bauen eine enge Bindung zu den Kindern auf und verschwinden dann nach kurzer Zeit wieder.“

Hinzu kommt, dass angehende Helfer*innen beim Bewerbungsverfahren vieler Hilfsorganisationen keine Erfahrungen im pädagogischen Bereich vorweisen müssen. Nach Dreher wird genau deshalb zu viel Geld in freiwillige Helfer*innen investiert: „Man sollte damit Sinnvolleres anfangen, zum Beispiel vor Ort Unternehmen gründen.“

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Bildquelle: Annie Spratt on Unsplash; CCO-Lizenz