Weihnachten mit Freunden

Weihnachten mit Freund*innen: Ein Ersatz für die Familie?

Weihnachten mit Freunden und Freundinnen? Nein, danke. Jedes Jahr entscheide ich mich bewusst dafür, Weihnachten mit meiner Familie zu verbringen. Alles andere wäre für mich kein Weihnachten. Aber was ist mit den Menschen, die diese Option „Familie“ gar nicht haben?

Seit ich denken kann, habe ich Weihnachten mit meiner Familie verbracht. Geändert hat sich in den letzten 20 Jahren nur der Ort, an dem wir feiern: ganz früher in der ersten Wohnung meiner Eltern und mir, dann in der zweiten. Mittlerweile hat meine große Schwester selbst Kinder und wir verbringen Heiligabend bei ihr. Davon abgesehen war es aber immer recht ähnlich: Wir haben Weihnachten eben mit der Familie gefeiert.

Dennoch habe ich schon einige Male von Leuten gehört, dass sie Weihnachten mit Freund*innen anstatt mit der Familie verbringen. Erst vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel mit einer Person gesprochen, die über Weihnachten nicht nach Hause fährt, sondern es mit Freund*innen in Berlin verbringt. Und auch ein guter Freund von mir veranstaltet jedes Jahr am 24. Dezember ein Weihnachtsessen mit Freund*innen.

Weihnachtszeit: Der Horror für Menschen ohne Familie

Das Traurige an der Entscheidung, Weihnachten mit Freund*innen anstatt mit der Familie zu verbringen ist, dass die Ursache dafür meistens in unschönen Familienschicksalen besteht.

Beispielsweise verbringt eine Freundin von mir Weihnachten mit ihrem besten Freund, da das Familienmitglied, mit dem sie es gern verbracht hätte, nicht mehr am Leben ist. Neben Todesfällen können natürlich auch Familienzerwürfnisse der Grund dafür sein, weswegen man Weihnachten nicht mit der Familie verbringt. In letzterem Fall hat man zwar noch eine Familie – aber was bringt das, wenn sich die Menschen, die einem eigentlich am nächsten stehen sollten, nicht wie Familie anfühlen?

Die Werbung und unsere Mitmenschen, die Weihnachten selbstverständlich alle mit ihren Familien verbringen, erwecken in uns den Eindruck, dass die einzig richtige Art und Weise, Weihnachten zu feiern, natürlich mit der Familie ist. Folglich ist das der Anspruch, den man an sich selbst und die eigene Familie, falls sie denn noch lebt, stellt: Weihnachtszeit, Familienzeit.

Können Freund*innen Familie ersetzen?

Eine Freundin von mir hat mal gesagt, dass Freund*innen aus ihrer Sicht nie dasselbe sein werden wie Familie. Die Überzeugung, mit der sie diesen Satz über die Lippen gebracht hat, ist der Grund, warum ich ihn mir überhaupt gemerkt habe.

Ich war früher sehr anderer Meinung. Zur Schulzeit und auch noch kurze Zeit danach waren meine besten Freundinnen für mich auf einem ähnlichen Level wie meine Familie. Jetzt – einige Jahre und einige Erfahrungen später – würde ich nicht mehr sagen, dass sie für mich wie Familie sind. Ich glaube, dass das vor allem daran lag, dass wir damals so viel Zeit miteinander verbracht haben. Jetzt nicht mehr. An ihre Stelle sind neue Menschen getreten, mit denen ich ebenfalls sehr viel Zeit verbracht habe. Oder noch verbringe. Trotzdem würde ich sie heute nicht mehr mit meiner Familie vergleichen – unter anderem weil man mit der Zeit immer mehr versteht, wie schnell Menschen theoretisch auch wieder aus dem eigenen Leben verschwinden können. Und auch, weil das Gefühl ein anderes ist.

Ich glaube also eher nicht, dass Freund*innen eine Familie ersetzen können. Und wenn man mich fragen würde, mit wem ich Weihnachten verbringen will, könnte ich mir keine andere Antwort vorstellen als: „Mit meiner Familie!“ – naja, okay, vielleicht noch mit meinem Freund.

Trotzdem ist die Bindung zu Freund*innen etwas Wunderbares. Obwohl sie für einige Menschen keine Ersatzfamilie darstellen können, sind sie auf andere Art und Weise für einen da. Sie fangen einen auf. Schenken einem Hoffnung und Gehör. Zaubern einem ein Lächeln auf die Lippen und erfüllen mit einem herzlichen Lachen den Raum. Und vielleicht laden sie einen ein, Heiligabend gemeinsam zu verbringen.

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Bildquelle: olia danilevich via Pexels; CC0-Lizenz