Es gibt viele verschiedene Wohnkonzepte

WG mit einer kleinen Familie – Lasst mal mutig sein

Die meisten Student*innen leben mit Gleichaltrigen in einer Wohngemeinschaft oder sind in einem Studentenwohnheim zuhause. Doch es geht auch anders. Und wie so oft zeigt sich: Anders bietet Raum für Freiheit und Entfaltung.

Tom sitzt gemeinsam mit seinen Mitbewohner*innen auf der Couch. Hier ist der gemeinsame Treffpunkt der WG: Sie erzählen sich von ihrem Tag, tauschen sich aus oder trinken gemeinsam eine Tasse Tee. Wie in jeder anderen WG eigentlich auch. Doch anders als Tom sind seine Mitbewohner*innen keine Student*innen: Die jüngste ist 1,5 Jahre alt. „Seit Oktober wohne ich zusammen mit einer jungen Familie in einer Doppelhaushälfte in Eichstätt“, erzählt Tom. „Ich habe ein eigenes Zimmer, inklusive Bad, Toilette und Dusche. Den offenen Wohn- und Küchenbereich nutzen wir gemeinsam.“ Wir – das sind der 32-jährige Florian, die 40-jährige Andrea, die gemeinsamen Töchter Merle (zweieinhalb), Josephine (eineinhalb) und Tom. „Vor einem halben Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich mal in einem solchen Wohnkonzept leben würde. Doch die unvorhersehbaren Dinge im Leben sind oftmals die bereicherndsten“, findet er.

Tom ist für sein Studium neu in das oberbayerische Eichstätt gezogen. Hier studiert er Journalistik mit Schwerpunkt Innovation und Management. Auf die Anzeige der Familie ist er damals zufällig gestoßen. „Da stand Bewohneralter eins bis 40. Ich habe es zunächst für einen Scherz gehalten, doch meine Neugier war geweckt.“ Und so schrieb er die Familie an. „Die Chemie passte und für mich war eine neue Bleibe in Eichstätt gefunden.“ Ursprünglich kommt der 23-Jährige aus Bad Lauterberg im Südharz. „Dass ich als Norddeutscher manche Wörter aus der bayerischen Region nicht verstehe, sorgt oft für Lacher“, erzählt Tom. „Mit Wörtern wie Ja, Mei, So a Schmarrn oder ratschen konnte ich erst nichts anfangen.“

Das Zusammenleben bietet Entschleunigung

Humor und Ungezwungenheit – das macht das Leben der besonderen Wohngemeinschaft aus. Aber auch die gegenseitige Rücksichtnahme ist Tom wichtig. „Wir helfen uns auch untereinander und können uns immer aufeinander verlassen“, sagt er. Wenn Tom Zeit hat, kümmert er sich gerne um den Einkauf oder kocht. Mehrmals die Woche ist er in Nürnberg, wo er neben dem Studium für die BILD arbeitet. An diesen Tagen kocht die Familie für ihn mit. „Ganz nach dem Motto: ein Geben und ein Nehmen“, sagt Tom. Die WG isst regelmäßig gemeinsam zu Abend, auch Freunde und Verwandte der Familie waren schon zu Besuch. Aus beruflichen Gründen hat Tom in den letzten Jahren in den größten Städten Deutschlands gelebt. „Das Familienleben entschleunigt mich total.“ Das gemeinsame Leben bietet Langsamkeit in der Hektik des Alltags, ein Stück Routine in dem Durcheinander eines Studentenlebens.

Davon hat Tom nämlich genug. Während seines Bachelorstudiums in Magdeburg achtete Tom noch auf andere Dinge im Zusammenleben. Struktur, Sauberkeit und Selbstorganisation waren ihm da weniger wichtig. „Früher wollte ich hauptsächlich, dass die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in meinem Alter sind“, erzählt er. Irgendwann begannen ihn die Unordnung und Unzuverlässigkeit der anderen jedoch zu stören. „Ich war es einfach Leid, allen wegen jeder Kleinigkeit hinterher zu laufen.“

Eine Brücke zwischen den Generationen

„Für mich ist es aber auch einfach wichtig, neue Dinge auszuprobieren, um persönlich zu wachsen und den eigenen Horizont zu erweitern“, erzählt Tom. Das Zusammenleben bereichert aber auch die kleine Familie sehr. „Die Familie findet es spannend, Persönlichkeiten außerhalb des eigenen Familienkerns kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Viele ihrer jetzigen Freunde hätte sie ohne dieses Wohnmodell nicht kennengelernt.“ Auch der finanzielle Aspekt spielt eine Rolle für Tom und die Familie. „Es ist praktisch, wenn man sich die Miete und die Nebenkosten untereinander aufteilen kann.“

Das Wohnkonzept ist aktueller denn je. Es ist sparsam, nachhaltig und schlägt eine Brücke zwischen den Generationen. Diese Kommunikation würde sicherlich auch vielen anderen helfen, denn das gegenseitige Verständnis ist maßgeblich für eine funktionierende Gesellschaft.

Geradeaus ist nicht immer der beste Weg

Tom findet es schön, die beiden Kinder ein Stück weit beim Aufwachsen begleiten zu dürfen. Auch sein Schlafrhythmus wird sich in der nächsten Zeit wohl verändern. „Da die Kinder bereits gegen sieben Uhr wach werden, wird sich das ganze nach vorne verschieben“, erzählt Tom. „Das sehe ich aber als Vorteil.“ Er ist gespannt, wie es in der kommenden Zeit weitergehen wird und welche Abenteuer sich noch in der Doppelhaushälfte versteckt halten. „Schlussendlich kann ich nur sagen: Ich wurde für meinen damaligen Mut, die Familie anzuschreiben, belohnt!“

Tom und seine WG zeigen: Es gibt so viele Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten. Es lohnt sich, nicht nur geradeaus zu schauen. Auch links und rechts des herkömmlichen Wegs kann eine wertvolle Erfahrung warten. In Toms Fall ist es eine Doppelhaushälfte, die für ihn die nächsten Jahre zu einem zuhause werden wird. Von Toms Entscheidung können wir nur lernen und uns immer wieder selber sagen: Lasst mal mutig sein!

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Bildquelle: Kindel Media von Pexels; CC0-Lizenz