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Der Umgang mit der Klimaangst: Im Interview mit Claudine Dahm

Täglich werden wir mit negativen Nachrichten zum Klimawandel konfrontiert. Die Angst vor den Folgen des Klimawandels nennt man Eco-Anxiety. Besonders junge Menschen sind davon betroffen. 75 Prozent der unter 25-Jährigen haben Klimaangst. 

Psycholog:innen sind sich einig, dass diese Angst ernst genommen werden sollte. Aber was lässt sich dagegen unternehmen, wenn man selbst davon betroffen ist oder Betroffenen helfen möchte? 

Claudine Dahm ist Psychologin. Sie entwickelt Meditationen, Achtsamkeitsübungen und Wissenskurse zu unterschiedlichen Themen wie Stress oder Schlaf für die Berliner Meditationsapp 7Mind, das erste App-basierte Achtsamkeitsprogramm Deutschlands. 

Im Interview hat sie uns etwas über die Entstehung und den Umgang mit  Klimaangst erzählt.  


Zeitjung: Was an der Thematik fesselt Sie besonders oder warum denken Sie, dass Klimaangst so ein relevantes Thema darstellt?

Claudine Dahm: Die Klimakrise ist ein Thema, was alle in unserer Gesellschaft, sogar auf der ganzen Welt, betrifft. Vor allem die jüngeren Generationen haben mit der Klimaangst zu kämpfen, denn sie haben noch eine lange Zukunft vor sich. Eine Zukunft, die nach aktuellen wissenschaftlichen Prognosen alles andere als rosig aussieht. 

Neben den negativen Aspekten und den ganzen negativen Gefühlen, die Ängste mit sich bringen, können wir aber auch Positives darin finden. Angst kann nämlich auch als Schutzmechanismus fungieren. Sie kann uns motivieren und uns dazu bewegen, konstruktive Lösungen zu finden und zukunftsorientiert zu handeln. 

Zeitjung: Woher kommt diese Klimaangst? 

Claudine Dahm: Über die Nachrichten und Social Media sind wir ständig mit dem Thema Klimakrise konfrontiert. Wir sehen Naturkatastrophen oder erfahren von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Prognosen über die weitere Entwicklung des Klimas. Solche Informationen und Nachrichten lösen natürlich Angst aus. Das ist oft erstmal Angst vor den konkreten Folgen der Klimakrise, die uns selbst betreffen können. 

Es entsteht Sorge um die eigene und die Existenz anderer. Wenn wir die Politik verfolgen, erkennen wir gleichzeitig, dass die politischen Maßnahmen unzureichend sind, um die Probleme der Klimakatastrophe erfolgreich zu bekämpfen. Dies kann wiederum Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit auslösen. 

Je mehr wir uns mit dem Thema beschäftigen, desto eher können solche Ängste entstehen. Diese Angst ist eine Reaktion auf konkrete Gefahren, wie z.B. Überschwemmungen in der unmittelbaren Umgebung, oder eine Reaktion auf gedankliche Szenarien. Einige Menschen sind sensibler und anfälliger für solche Ängste. 

Zeitjung: Warum denken Sie, ist es so wichtig, etwas gegen diese Angst zu tun? 

Claudine Dahm: Die Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit der Klimakrise können sich verstärken und so kann es passieren, dass sich daraus dysfunktionale Ängste und psychische Störungen entwickeln. Es ist also wichtig, die Klimaangst bereits jetzt anzuerkennen und gegenzusteuern. 

Zeitjung: Wie wirkt sich diese Angst auf die Psyche von Menschen und vielleicht gerade auf die von jungen Menschen aus? 

Claudine Dahm: Vor allem für sehr emotionale oder empathische Menschen kann die Klimakrise sehr belastend sein. Typische Symptome von Angst sind Schlafschwierigkeiten, Grübeln, Stimmungsschwankungen, Traurigkeit oder Ruhelosigkeit. Bei manchen kann es sogar zu depressiven Verstimmungen oder psychosomatischen Beschwerden kommen. 

Eine andere mögliche Konsequenz wäre, dass die Angst zu einem Dauerzustand wird und sich zu einer Angststörung entwickelt, die langfristig belastend sein kann. Bei der Entwicklung solcher dysfunktionalen, lähmenden Ängste ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. 

Neben der Angst können auch eine Reihe anderer Gefühle aufkommen. Die wahrgenommene Bedrohung kann Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit oder Frustration auslösen. Manche erleben auch Gefühle wie Scham oder Schuldgefühle bezüglich des eigenen Lebensstils. 

Vor allem Kinder und Jugendliche haben häufig noch nicht gelernt, mit solchen Bedrohungen und Ängsten umzugehen und benötigen besondere Unterstützung.

Zeitjung: Glauben Sie, dass die Klimaangst irgendwann verschwindet, weil wir als Gesellschaft die Angstfaktoren bekämpfen können oder werden wir uns irgendwann einfach daran gewöhnen und einen Weg finden damit umzugehen?

Claudine Dahm: Wenn wir die Angstfaktoren bekämpfen könnten, würde das bedeuten, dass die Bedrohungen durch die Klimakrise verschwunden wären. Allerdings sieht es aktuell nach großen klimatischen und somit auch gesellschaftlichen Veränderungen aus. Wir erleben sie teilweise jetzt schon. Das zukünftige Ausmaß dieser Veränderungen kann aber noch durch angemessene Maßnahmen in naher Zukunft beeinflusst werden. 

An Angst gewöhnen kann man sich in dem Sinne nicht. Es kann nur zu unterschiedlichen Copingstrategien, also Strategien, wie man mit der Angst umgeht, kommen. So kann man die Probleme beispielsweise bagatellisieren, verdrängen, verleugnen oder ihnen skeptisch gegenüberstehen. Durch solche Verhaltensweisen und Einstellungen schützt man sich selbst vor der Angst. Die Bedrohung an sich verschwindet dadurch natürlich nicht und eine solche Einstellung kann uns daran hindern, aktiv zu handeln. 

Zeitjung: Was sind Ihre Tipps gegen Klimaangst, was kann ich als einzelne Person gegen Sie tun?

Claudine Dahm: Wenn man Gefühle der Ohnmacht erlebt, kann es hilfreich sein, in Organisationen aktiv zu werden. Das können Ortsgruppen der Klimabewegung sein. Auch Änderungen des eigenen Lebensstils oder anderes persönliches Engagement können das gute Gefühl geben, aktiv etwas zu tun. Der Austausch mit Gleichgesinnten oder mit Freund:innen und Familie kann auch bei einem besseren Umgang mit der Angst helfen. 

Besonders wichtig ist es, die Balance zwischen aktiver Auseinandersetzung mit der Klimakrise und Erholungsmöglichkeiten zu finden. Also wie man selbst einen Beitrag leisten und trotzdem zwischendurch erholen und entspannen kann. Wenn die Angst anfängt, das alltägliche Leben zu beeinträchtigen oder die Gefühle überwältigend werden, sollte man sich eine Auszeit nehmen und den Hausarzt bzw. die Hausärztin aufsuchen oder eine therapeutische Erstberatung in Anspruch nehmen.#

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Bildquelle: Markus Spiske von pexels, CC0-Lizenz