Streit um das Bürgergeld: Wie am Problem vorbeigeredet wird
Zum 1. Januar 2024 soll das Bürgergeld, ehemals Hartz IV oder Arbeitslosengeld II, um rund 12 Prozent erhöht werden. Wie immer werden wieder Vorwürfe laut, dass Geringverdiener*innen dadurch umso mehr der Anreiz zur Arbeit fehle.
Disclaimer: Der Artikel enthält subjektive Standpunkte des Autors.
Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn spricht von einem „falschen Signal“ und fordert stattdessen mehr Strafen für „arbeitsunwillige“ Personen.
„Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet“
Jens Spahn (Quelle: Focus Online)
Auch Steffi Ebert, Leiterin des Jobcenters Schmalkalden-Meiningen, kritisiert die Erhöhung des Bürgergeldes. Sie meint, dass es sich dadurch für Geringverdiener*innen immer weniger lohnen würde, zur Arbeit zu gehen.
Mit dieser Argumentation ist aber niemandem geholfen – weder denjenigen, die nach Verlust ihres Arbeitsplatzes auf Sozialleistungen angewiesen sind, noch denen, die trotz Hungerlohn täglich arbeiten gehen. Indem man aber arbeitslose Menschen gegen jene mit geringem Einkommen ausspielt, kann man mühelos am eigentlichen Problem vorbeireden. Denn die Zeiten, in denen man von Arbeit allein leben konnte, sind für viele schon längst vorbei.
Nicht die Höhe des Bürgergeldes entscheidet über die Sinnhaftigkeit von Arbeit
Schauen wir uns doch einmal an, was die Erhöhung des Bürgergelds in Zahlen bedeutet. Für Alleinstehende gilt ab dem 1. Januar 2024 der Regelsatz von 563 Euro Bürgergeld, eheliche oder nichteheliche Partner*innen einer Lebensgemeinschaft bekommen 506 Euro. Für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren gibt es 471 Euro, mit abnehmendem Alter ist es noch weniger. Diese Zahlen wurden der Website des gemeinnützigen Vereins „Für soziales Leben e. V.“ entnommen. Die Höhe des Bürgergelds basiert auf dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung und ist der aktuell sehr hohen Inflationsrate geschuldet.
Wenn nun also kritisiert wird, dass Personen, die in Zukunft Bürgergeld beziehen, eigentlich keinen Grund mehr haben, arbeiten zu gehen, dann muss das ja heißen, dass sie trotz Arbeit am Existenzminimum leben. Das Problem sind dann folglich die viel zu niedrigen Gehälter, oder etwa nicht? Es ist keine Sorge der Zukunft, ob sich Arbeit nach der Erhöhung des Bürgergelds noch lohnt – Arbeit lohnt sich jetzt schon in vielen Fällen nicht! Zu behaupten, dass es Bezieher*innen von Sozialleistungen schlechter gehen muss als Menschen, denen es selbst mit Arbeit schlecht geht, damit sich letztere nicht vom System, welches sie ausbeutet, ausgebeutet fühlen, ist kein Argument, mit dem man Politik machen sollte.
Statt uns also Gedanken darüber zu machen, ob Bürgergeld-Empfänger*innen zu viel Geld bekommen, sollten wir lieber darüber diskutieren, warum immer noch so viele Menschen, die ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten, so schlecht dafür entlohnt werden.
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Bildquelle: Anna Shvets via Pexels, CC0-Lizenz