Die Illustratorin und Art Direktorin Chung-Yun Yoo spricht über ihre Kunst. Quelle: © Chung-Yun Yoo

Chung-Yun Yoo: „Kunst mit dem Thema Rassimus kombinieren“

ZEITjUNG: Gab es einen ausschlaggebenden Moment dafür, dass deine Illustrationen politischer wurden und du dich auf deinem Account gegen Rassismus einsetzt, oder war das eher ein Prozess?

Chung-Yun Yoo: Tatsächlich gab es einen ausschlaggebenden Moment, der dazu geführt hat, dass ich mich intensiver mit dem Thema befasst habe. Natürlich hatte ich seit meiner Kindheit Rassismuserfahrungen, es kam nicht von heute auf morgen. Jedoch hatte ich unbewusst über die Jahre gelernt, damit zu leben und es quasi anzunehmen, da es zum Alltag gehörte und zur Normalität wurde. Dann kam der Moment, wo ich mit einer Arbeitskollegin in der Mittagspause unterwegs war. Uns kam ein Mann entgegen, der mich beim Vorbeigehen mit diversen „asiatischen“ Begrüßungen ansprach. Ich ignorierte ihn, wie ich es jedes Mal tat. Als ich jedoch zu meiner Kollegin blickte, sah sie mich entsetzt an und fragte mich, ob mir das öfters passiere. Sie habe so etwas noch nie auf der Straße mitbekommen als weiße Deutsche. Diese Frage hat mich danach sehr nachdenklich gemacht. Ihre schockierte Reaktion hat mir gezeigt, dass das, was mir immer wieder über die Jahre passierte, ganz und gar nicht normal war. Dass es nicht etwas ist, was man annehmen und damit leben musste.

Ich habe diese und andere Erfahrungen mit meiner Familie geteilt und als meine kleine Schwester mir ihre erzählte, wurde ich sehr traurig. Sie geht noch zur Schule und auf dem Nachhauseweg stehen oft Schüler in den oberen Etagen und schreien rassistische Beleidigungen aus dem Fenster. Es machte mich besonders traurig, weil ich genau an derselben Stelle die gleichen Erfahrungen mit Schülern gemacht hatte, als ich noch zur Schule ging. Sogar nach zehn Jahren hatte sich nichts verändert. Im Gegenteil: Der Rassismus wurde von Generation zu Generation weitergereicht. Ich wollte eine Veränderung und habe daher vor paar Jahren angefangen, meine Kunst mit dem Thema Rassismus zu kombinieren und somit zugänglicher zu machen.

© Chung-Yun Yoo

ZEITjUNG: Hilft dir das Illustrieren, Diskriminierungserfahrungen zu verarbeiten?

Chung-Yun Yoo: Ja, auf jeden Fall. Über die Jahre habe ich eine Community durch meine Kunst gefunden, mit der ich meine Erfahrungen teilen kann. Es ist eine große Bereicherung, dass Leute sich mit meinen sehr persönlichen Geschichten und Illustrationen identifizieren und selbst auch ihre Erfahrungen reflektieren und verarbeiten können. Rassismus wird nicht von heute auf morgen verschwinden, da er sehr stark in der Gesellschaft verankert ist. Aber vielleicht können wir eine kleine Veränderung bewirken, indem wir darauf aufmerksam machen und Betroffenen ihre Erfahrungen nicht absprechen, sondern ehrlich zuhören.

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Bildquelle: © Chung-Yun Yoo