Zwei junge Frauen, eine davon mit Down-Syndrom, sitzen am Tisch und frühstücken.

Disability Pride Month: Von Behinderten und Verbündeten

Die Umsetzung dieser Vorhaben ist auch abseits eines Pride Months möglich, liegt aber keinesfalls in der Pflicht behinderter Personen. Auch nicht-behinderte, gesunde Menschen, die die Mehrheit der Gesellschaft stellen, sollten es sich zur Aufgabe machen, benachteiligte Gruppen in ihrem Kampf für eine gerechtere Gesellschaft zu unterstützen. Obwohl dieses Mindset bei vielen links-grünen, jungen Menschen bereits tief verankert ist, werden Behinderte dabei oft außen vor gelassen. Dabei finden sich schon im Alltag viele Dinge, die wir für Behinderte tun können: Zunächst einmal sollte man Rücksicht auf die eigene Sprache nehmen. Dass das Adjektiv „behindert“ nicht als Schimpfwort gebraucht werden sollte, ist vielen schon länger bewusst. Doch auch Bezeichnungen wie „Kr*ppel“, „M*ngo“ oder „Sp*sti“ sollte man als able-bodied person nicht in den Mund nehmen. Von behinderten Menschen werden diese Ausdrücke mittlerweile häufig als Selbstbezeichnungen benutzt, mit denen sie sich die Macht über die diskriminierende Sprache zurückerobern.

Um ein*e gute*r Ally zu sein, ist es zudem wichtig, nicht in paternalistische Verhaltensweisen zu rutschen. Darunter versteht man die Bevormundung oder übermäßige „Unterstützung“ von behinderten Personen. Da sie in unserer Gesellschaft oft als hilfebedürftig und bemitleidenswert dargestellt werden, neigen Menschen dazu, für Behinderte sprechen oder ihnen ungefragt „helfen“ zu wollen. Viele vergessen dabei, dass Behinderte eigenständige Personen sind, die eine eigene Meinung besitzen und diese häufig auch vertreten können. Dasselbe gilt für alltägliche Themen wie Mobilität und Barrierefreiheit: Einen Rollstuhlfahrer ungefragt über die Straße zu schieben, ist unangebracht und übergriffig. Stattdessen sollte man sich respektvoll und subtil erkundigen, ob die Person Hilfe braucht. Folgt auf diese Frage ein „nein“, hat man das zu akzeptieren, wird die Hilfe angenommen, sollte man sich keinesfalls als „Held*in das Alltags“ präsentieren oder das Gefühl bekommen, man hätte mit dieser kleinen Geste ja gerade ach so viel für eine tolerantere Gesellschaft getan.

Welche Dimensionen die Benachteiligung und Stigmatisierung von behinderten Menschen annehmen kann, zeigten jüngst zwei dramatische Ereignisse. Am 28. April 2021 ermordete eine Mitarbeiterin des Potsdamer Oberlinhauses vier Menschen mit Behinderung, eine weitere Person wurde schwer verletzt. Im Rahmen der Hochwasserkatastrophe in NRW kam es nur wenige Wochen später zu einem ebenso tödlichen Vorfall, als in einer Einrichtung der Lebenshilfe zwölf geistig behinderte Bewohner*innen in den Wassermassen ertranken. Aktuell prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein Strafverfahren eingeleitet werden muss. In beiden Fällen kritisierten behinderte Aktivist*innen, dass eine breite Reaktion aus dem linken Spektrum ausblieb. Obwohl dort sonst viel Wert auf Intersektionalität gelegt werde, fühlten sich viele Menschen nicht zuständig, wenn es um die Rechte behinderter Personen ginge. Das muss sich ändern. Denn behinderte Personen sind Teil unserer Gesellschaft, genau wie du und ich. Nicht nur während des Disability Pride Months, sondern zu jeder Zeit.

Mehr spannende Artikel:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!
Bildquelle: Cliff Booth on Pexels, CC0-Lizenz