Eine Person schaut auf ihr Handy. Die App Instagram ist geöffnet.

Hassobjekt: Sharepic-Aktivist*innen

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autor*innen nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: Sharepic-Aktivist*innen.

Wenn man als junge Person Anfang zwanzig durch seinen Instagram-Feed scrollt, tauchen meist alle paar Sekunden Storys und Posts in der Timeline auf, die auf irgendein politisches oder gesellschaftliches Problem aufmerksam machen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Seiten und Blogger*innen, die sich Themen wie Feminismus oder Klimaschutz verschrieben haben und es unter anderem zu ihren Aufgaben zählen, fein säuberlich designte Info-Bilder mit ihren Follower*innen zu teilen – sogenannte Sharepics. „Was wir über Ableismus wissen sollten“ steht dann dort, „Warum wir am 8. März auf die Straße gehen“ oder „Was wir tun können, um den Klimawandel aufzuhalten“. All das sind ziemlich wichtige Themen, über die politisch aktive Gruppen und Personen andere Menschen aufklären wollen. Sharepics haben dabei eine hohe Gelinggarantie – schließlich stellen sie die wichtigsten Informationen und Anhaltspunkte übersichtlich und oft für jede*n zugänglich dar. Seine Reichweite zu nutzen, um sein Umfeld zu sensibilisieren, ist zunächst also eine lobenswerte, moderne Form des Aktivismus.

Für die meisten Blogger*innen ist an dieser Stelle aber noch lange nicht Schluss: Sie veröffentlichen Bücher, treffen wichtige politische Akteure zum Gespräch, besuchen Demos oder starten Petitionen. Anders verhält es sich mit vielen Menschen, in deren Story die Sharepics von Louisa Dellert und Co. letztendlich landen. Für sie sind die bunten Bildchen eine ideale Möglichkeit, ihren 300 Instagram-Follower*innen aus der Grundschulzeit zu zeigen: Schaut mal, ich bin auch noch da – und interessiere mich jetzt sogar für gesellschaftlich relevante Dinge. Nicht falsch verstehen: Auch in meiner Story finden sich ab und an Sharepics, einfach, weil sie so wunderbar kurz und knapp auf ernste Angelegenheiten aufmerksam machen. Und nein, ich unterhalte mich weder mit der Bundeskanzlerin darüber, noch sitze ich gerade an meiner ersten Veröffentlichung zum Thema Feminismus und Gleichberechtigung. Aber ich gehe einen Schritt weiter: Wenn ich in einem sozialen Netzwerk auf ein Sharepic stoße, welches sich mit der Problematik des Paragraphen 219a beschäftigt, teile ich es vielleicht in meiner Story, in der Hoffnung, ein paar Neulinge an die Sache heranzuführen. Die Petition, die unter dem Pic verlinkt ist, unterschreibe ich aber auch. Und wenn ich die Möglichkeit habe, in nächster Zeit an einer Aktion oder einem Protest zum Thema teilzunehmen, gehe ich hin. Für mich und viele andere ist so etwas selbstverständlich – wenn schon politisch engagieren, dann wenigstens richtig.