Durchgesuchtet: Warum die Serie Queer Eye nicht einfach nur Klischees befeuert

In der Make-Over-Serie „Queer Eye“ krempeln fünf schwule Männer („The Fab Five“) das Leben eines Mannes innerhalb einer Woche in den Bereichen Ernährung, Lebenseinstellung, Einrichtung, Erscheinungsbild und Mode komplett um. Klingt nach viel Klischee – ist es aber nicht, sondern völlig zurecht ein riesiger Hit auf Netflix.

Remake mit riesigem Erfolg

Fünf schwule Männer, die „Fab Five“, reisen durch den Staat Georgia im Süden der USA und besuchen Männer (und seltener auch Frauen), deren Umfeld sie für die einwöchige Make-Over-Challenge der Fab Five nominiert hat. So einfach, so gut das Konzept der Netflix-Serie „Queer Eye“. Seit Februar 2018 ist die Serie auf dem Streaming-Dienst Netflix verfügbar und befindet sich mittlerweile in der 3. Staffel. Eigentlich gibt es das Format schon länger: Anfang der Nuller-Jahre lief die Serie damals noch unter dem Namen „Queer Eye for the Straight Guy“ auf dem amerikanischen Kabelsender Bravo. Doch erst die Neuauflage (das „for the straight guy“ droppte man im Titel, da 2019 auch andere Geschlechter ein Makeover durchlaufen) um Tan France (Style), Jonathan van Ness (Haare und Körperpflege), Bobby Berk (Inneneinrichtung), Karamo Brown (Kultur und Lebenseinstellung) und Antoni Porowski (Kochen und Ernährung) schlug ein. Und das nicht nur beim Publikum: für gleich vier Emmys wurde die Serie 2018 nominiert. Drei davon konnten sie dann tatsächlich mit nach Hause nehmen.

TLC (Tender Loving Care)

Doch worum geht es in dieser quietschbunten Make-Over-Sendung? Natürlich geht es nicht um die Selbstoptimierung dieser Männer, die von den Fab Five von Folge zu Folge „Heroes“ genannt werden. Es geht darum, den Männern Wegweiser an die Hand zu geben, wie diese ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Da gibt es zum Einen den Großfamilien-Vater Bobby Camp, der Tag und Nacht arbeitet um seine Familie ernähren zu können. Oder Leo, einen mexikanischen Einwanderer, der zwar ein glückliches Leben führt, sich jedoch vor dem anstehenden Elternabend fürchtet. Oder den wunderbaren, zuckersüßen Tom, der auch noch Jahre nach der Scheidung schrecklich in seine Ex-Frau verliebt ist und dabei aus lauter Einsamkeit sich selbst völlig vergisst. Die Fab Five nehmen diese Männer an die Hand und zeigen ihnen, dass es auch als gestresster Familienvater, Feuerwehrmann oder Computernerd vollkommen okay ist, sie selbst zu sein und sich auch mal etwas Gutes zu tun. Ihren „Heroes“ bringen sie dabei so eine Fürsorge und Liebe entgegen, dass es scheint, als wäre eine Woche mit den Fab Five heilsamer als Monate der Therapie es je sein mögen.

Dabei geht es beim Makeover nicht darum, diese Männer auf einen gewissen Grad an objektiver Attraktivität zu trimmen, sondern um die sogenannte „Selfcare„, die ganz simple Pflege des Selbst. Sich zwei Minuten am Tag zu geben, um sich etwas Gutes zu tun: ein paar Minuten länger unter der warmen Dusche zu stehen, sich etwas Schönes anzuziehen, weil man sich dann wohler fühlt oder aber die Einstellung zu gewinnen, nicht alles auf der Welt alleine schaffen zu müssen. Ein Gedanke, der in manchen Regionen der Welt auch 2019 noch für Furrore sorgt.

Klischee? Wen interessiert’s?

Spätestens jetzt kommt sicherlich die Frage auf, ob diese ganze Serie nicht einfach so drüber ist. Ob das Klischee der fröhlich durcheinander hüpfenden, „Yaaaaas, Queeeen“-kreischenden Schwulen 2019 sowas von nicht mehr tragbar ist. Und sicher gibt es Momente der Serie, in denen sich jeder LGBTQI-Aktivist an den Kopf greifen mag, angesichts der allgemeinen Hysterie, die bei oberkörperfreien Männern, Glitzer oder emotionalen Achterbahnfahrten ausbricht. Doch genau das macht die Serie so sehenswert: Die Fab Five, die im Übrigen meist selbst ganz tragische Schicksale mit sich bringen, sind sich ihrer Klischeehaftigkeit so bewusst, dass sie diese wie ein Fest zelebrieren. Sie vertreten die Botschaft der Serie mit so einer Überzeugung, Vehemenz und Glückseeligkeit, dass dieses Glücksgefühl auf die Zuschauer überspringt: Wer oder was du bist, ist egal- du bist gut, so wie du bist. Kaum eine Serie strahlt aktuell so eine Positivität und Lebensfreude aus und lässt dich so wieder an das Gute im Menschen glauben. Schon nach wenigen Minuten der ersten Folge breitet sich ein Wohlgefühl in der Bauchgegend aus, das sich sonst nur von Wochenendgefühlen am Freitagabend oder einem langen Bad auslösen lässt. Queer Eye sehen, ist wie in eine Welt eintauchen, in der sich alle Menschen lieb haben, sich stets mitteilen, wie schön sie aussehen und in der sich jeder Mensch, wenn nur fest genug gewollt, selbst erfüllen kann. Eine Welt wie sie an manchen Abenden auf der Netflixcouch nicht verlockender sein könnte.

Die dritte Staffel ist übrigens seit 15. März auf Netflix verfügbar.

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Bildquelle: Netflix Media.