Durchgesuchtet: The Umbrella Academy – eine Comicverfilmung mit neuem Twist
Spätestens seit Spidermans Peter Parker ist die Figur des gebrochenen Heldens in der Mainstream-Unterhaltung angekommen. Batman, Daniel Craigs James Bond oder sämtliche Charaktere der Marvel Comics: dunkle Superhelden, die moralische Fragen aufwerfen, faszinieren Fans seit Jahrezehnten. Auf Netflix ist seit Februar die Superheldenserie „The Umbrella Academy“ verfügbar. Diese greift die Superhelden-Thematik auf und gibt dem Ganzen aber einen neuen Twist: eine dysfunktionale Superheldenfamilie muss nach dem Tod des Vaters zusammenkommen und begreift schnell, dass ihnen nur wenige Tage Zeit bleiben um die Welt vor einer Apokalypse zu retten.
Der Vater ist tot und die Welt geht in Flammen auf
Am 1. Oktober 1989 werden auf der ganzen Welt zur selben Uhrzeit 43 Kinder geboren. Das Besondere: all jene Kinder wurden von Müttern geboren, die am Morgen des selben Tages noch nicht einmal schwanger waren. Der exzentrische Milliardär Sir Reginald Haargreves erfährt davon und versucht diese Kinder zu finden, denn sie alle haben eine besondere Superhelden-Fähigkei. Sieben Kinder kann er sich erkaufen und beginnt von nun an eine kleine Superheldenarmee „The Umbrella Academy“ in seinem düsteren Wohnsitz heraufzuziehen.
Nun ist nach Jahren der Vater plötzlich tot und fünf der zerstrittenen Geschwister finden sich wieder auf dem Wohnsitz ein: das Muskelpacket Luther, die berühmte Schauspielerin Allison, der zugedröhnte Klaus, der Haudegen Diego, sowie die vernachlässigte Vanya. Bruder Ben ist nicht dabei, er war als Kind bei einer Mission gestorben. Die Beerdigung des eigenen Vaters läuft mehr schlecht als recht mit peinlichem Schweigen und aus Versehen verschütteter Urne ab – bis wie aus dem Nichts der verschollene Bruder Nummer Fünf auftaucht. Dieser war eines Tages von Zuhause abgehauen, taucht nun im Körper seines 13-Jährigen Ichs wieder auf und spricht in Rätseln.
Bald wird klar, dass die Welt in einer Apokalypse untergehen wird. Die „Umbrella Academy“ muss sich trotz aller Familienprobleme zusammenraufen und die Welt retten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Geschwister haben sich Jahre nicht gesehen und alte Konflikte brechen auf. Allen voran der Konlifkt um Vanya, das einzige Geschwisterkind, das nicht an der Umbrella Academy teilnehmen darf, weil es anscheinend keine Superheldenkräfte hat und somit ein Dasein im Schatten seiner großartigen Geschwister fristen muss.
Dysfunktionale Familie meets Superhelden-Comics
Den Machern von „The Umbrella Academy“ gelingt es, dem Superhelden-Thema einen neuen Twist zu geben: die Familienproblematik steht im Vordergrund mit allen komplizierten Wirrungen von der Trauer um den Vater, der Liebe zur Ziehmutter, die eigentlich ein humanoider Roboter ist, bis hin zum Verrat an der eigenen Familie, heimlicher Geschwisterliebe und dem Drogenentzug des Bruders. Und immer im Zentrum ist das Trauma der gemeinsamen schrecklichen Kindheit, verursacht durch den herrischen und kaltherzigen Vater.
Dass die Protagonisten Superkräfte haben, ist vollkommen selbstverständlich und wird nicht in Frage gestellt. Das gibt der Serie einen erfrischenden Twist, der sie von herkömmlichen Superheldenstories unterscheidet. Wie in diesem Genre üblich, gibt es auch hier einen super bösen Gegenspieler: Die Kommission, die den Lauf der Dinge kontrolliert, will um jeden Preis, dass die Apokalypse stattfindet und hat dafür sogar zwei Agenten auf die Erde geschickt. Doch denen gefällt der Job eigentlich auch nicht mehr so gut wie früher. Die Kommission ist unzufrieden mit ihrer Arbeit und kürzt ihnen nach und nach Boni, Krankenkassenbeiträge und Versicherungen – was zu großem Frust bei Agent Hazel führt.
Große Fragen, wenig Tiefgang
Die Serie greift moralische Dilemmata auf und lässt die Hauptfiguren diese durch die Handlung diskutieren: Darf die „Umbrella Academy“ das Leben Einzelner opfern, um die Welt zu retten? Müssen manche Ereignisse nicht einfach geschehen? Wie sehr dürfen Individuen in den Lauf der Dinge eingreifen? Gibt es Schicksal?
Richtige Antworten auf diese Fragen, gibt die Serie dann aber doch nicht, sondern gibt sich viel mehr trashigen Dialogen und halbherzigem Tiefgang hin. Nummer Fünf, den Einzigen, der überhaupt weiß, was los ist, würde man als Zuschauer am liebsten schütteln, er solle jetzt endlich in zusammenhängenden Sätzen sprechen und seine geheimniskrämerische Masche fallen lassen. Denn nach einer Weile nervt dessen bedeutungsschweres und altkluges Phrasendreschen nur noch. Das ist allerdings gewollt und von dem erst 15-Jährigen Darsteller Aidan Gallagher wirklich gut umgesetzt.
Ursprüngliche Dark Horse Comics
Optisch ist die Serie wirklich ansprechend gestaltet. Sie ist eigentlich eine Umsetzung der Dark Horse Comics und das ist in jeder Szene präsent. Viele Momente scheinen direkt auf dem Storyboard der Produzenten zu spielen. Auch Ausstattung und Szenebild machen Spaß anzusehen.
Auch wenn es um Superhelden und Kindheit geht: eine Kinderserie ist The Umbrella Academy nicht. Immer wieder fließt das Blut völlig überraschend in Strömen. Todeskämpfe werden mit der Kamera bis zum Ende begleitet, die einzelnen Todesarten der Opfer lassen an Kreativität wenig zu wünschen übrig. Doch selbst in diesen Szenen lässt sich die drastische Darstellung von Blut, Mord und Gewalt oft durch den Ursprung als Comic erklären: Filmisch erinnern diese Szenen stark an Comiczeichnungen. Das tut der Handlung keinen Abbruch und ist ein wiederkehrendes und jedes Mal aufs Neue unerwartete Element der Serie. Aber auch in weniger expliziter Ausmalung käme die Botschaft trotzdem jedes Mal richtig an.
Und so bleibt „The Umbrella Academy“ einfach unterhaltsam. Die Serie ist spannend und kurzweilig, die Hauptstoryline rund um familiäre Konflikte und Geschwisterdynamiken gibt der Handlung einen erfrischenden Twist und lässt die Serie unter vielen hervorstechen. Über mangelnden Tiefgang und unbeantwortete Existenzialfragen kann dann auch hinweggesehen werden.