Ehegattensplitting – das Überbleibsel einer patriarchalen Gesellschaft
Je größer die Gehaltsunterschiede bei Ehepartner*innen, desto mehr Vorteile ergeben sich – besonders finanziell. Das dadurch ein traditionelles patriarchales Geschlechterbild begünstigt wird, bleibt oft unbeachtet.
Durch die Eheschließung wird man automatisch zusammen veranlagt. Das bedeutet, man gibt gemeinsam eine Steuererklärung ab. Daraufhin werden die zu zahlenden Steuern neu berechnet – dieses Rechnungsverfahren nennt man Ehegattensplitting. Theoretisch könnte man zwar eine eigene Steuererklärung abgeben, allerdings würde dann automatisch der Splittingtarif und die damit einhergehenden finanziellen Erleichterungen wegfallen. Aber wie genau funktioniert ein solches Splittingverfahren? Zunächst einmal zählt das Finanzamt das Jahreseinkommen von Ehepartner*innen zusammen. Dieser Betrag wird halbiert und dafür eine Einkommenssteuer berechnet. Die errechnete Einkommenssteuer wird dann verdoppelt und das Ergebnis ist dann der Betrag, den das Ehepaar zahlen muss. Im Normalfall zahlen Ehepaare mit dem Ehegattensplitting weniger Steuern, was es für viele lukrativ macht. Besonders die Ehepaare, bei denen eine*r sehr viel und der*die andere sehr wenig verdient sparen am meisten.
Historie des Ehegattensplittings
Die historische Begründung für das Ehegattensplitting beruht auf dem hohen grundsätzlichen Schutz der Institution Ehe. Bereits im 19. Jahrhundert gab es die gemeinsame steuerliche Veranlagung. Zwar wurde schon in den 1920er-Jahren versucht, diese Zusammenveranlagung zu kippen, jedoch wurde dieser Fortschritt 1934 wieder eingeschränkt. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Zusammenveranlagung und eine höhere Steuerprogression eingeführt, die das nationalsozialistische Ziel verfolgte, die Frau aus dem Erwerbsleben auszuschließen. Im Wesentlichen wurde dieses Modell später von der Bundesrepublik übernommen.
1957 entschied das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass die Verbindung zwischen der Zusammenveranlagung und der uneingeschränkten Steuerprogression gegen den grundsätzlichen Schutz der Ehe verstoße, da Eheleute aus ihrer Heirat keinen Nachteil erfahren dürften. Daraufhin folgte eine Übergangslösung, die ein Wahlrecht zwischen gemeinsamer, eingeschränkter, getrennter und vollständig getrennter Veranlagung enthielt. Diese Lösung entsprach jedoch nicht gänzlich dem Verfassungsurteil, da Ehepaare, bei denen nur ein*e Partner*in arbeitete, benachteiligt wurden. Dieses Modell unterlag der uneingeschränkten Progression, hingegen eine Ehe mit zwei Einkommen, die Vorteile einer niedrigeren Steuerprogression erhielten. Anstatt dann jedoch anzufangen, Ehepartner*innen individuell zu besteuern, wurde 1958 eine positive Diskriminierung eingeführt – das Ehegattensplitting. Damit sollte insbesondere der steuerlichen Benachteiligung von Frauen, die nicht erwerbstätig waren, weil sie zu Hause die Kindererziehung und den Haushalt übernahmen, entgegengewirkt werden. Weiter wurde argumentiert, dass das Ehegattensplitting zum Schutz der Ehe als Erwerbsgemeinschaft dient. Ehepaare bilden ebenso wie beispielsweise eine Personengesellschaft, eine Wirtschaftsgemeinschaft, die zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet ist. Damit dürfen sie nicht schlechtergestellt sein als andere Erwerbsgemeinschaften. Das gemeinsame Einkommen soll also auch gleichermaßen auf beide verteilt werden und als Basis für die Besteuerung dienen.