Ein Hochzeitspaar küsst sich.

Ehegattensplitting – das Überbleibsel einer patriarchalen Gesellschaft

Kritik

Die Reform von 1958 bezog sich auf die damaligen Familienverhältnisse beziehungsweise die damalige Rollenverteilung, demnach die Erwerbstätigkeit von Frauen weder erwünscht noch üblich war. Die Ehefrauen sollten wirtschaftlich abgesichert sein, wenn sie sich zu Hause um den Haushalt und die Kindererziehung kümmerten. Diese patriarchalen Strukturen werden also bis heute weitergeführt. Die*der Zweitverdiener*in (meistens die Frau), begibt sich in ein Abhängigkeitsverhältnis, welches die individuelle Lebensplanung erheblich beeinflusst. Zusätzlich bedeutet das Ehegattensplitting mehr Abzüge für den*die Zweitverdiener*in. Um wirtschaftlich weiterhin durch den*die Erstverdiener*in abgesichert zu sein, werden auch toxische, gewalttätige Beziehungen in Kauf genommen.

Insbesondere Frauen werden durch das Ehegattensplitting falsche Anreize geboten, denn je größer die Gehaltsunterschiede zwischen den Eheleuten ist, desto mehr Vorteile ergeben sich. Das führt oft dazu, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder lediglich eine Teilzeitstelle annehmen. Diese Denk- und Handlungsweise begünstigt das traditionelle Bild einer konservativen bundesdeutschen 50er-Jahre-Familie.

Die Spiegel Online-Kolumnistin Margarete Stokowski findet klare Worte für das Ehegattensplitting:

„Auch wenn es unscheinbar daherkommt, ist das Ehegattensplitting nicht einfach nur eine bürokratische Nebenfrage, sondern ein zentrales Machtinstrument, mit dem der Staat das Patriarchat stützt. So klein und filigran viele der Entscheidungen und Erlebnisse sind, in denen Ungerechtigkeiten immer weitergetragen werden, so manifest ist im Ehegattensplitting die Unterstützung des Staats in der Aufteilung: Mann verdient Geld, Frau bleibt abhängig.“

Reform der Ampel-Koalition

Die Ampel-Koalition will zukünftig das Ehegattensplitting reformieren und eine Familienbesteuerung einführen. Demnach sollen Partner*innen jeweils den Lohnsteueranteil zahlen, den sie am gemeinsamen Einkommen haben. Damit wollen sie die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und Ehepartner*innen herstellen und eine wirtschaftliche Unabhängigkeit garantieren.

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Bildquelle: Foto von Emma Bauso von Pexels; CC0-Lizenz