Toxische Beziehungen ziehen oftmals physische oder psychische Gewalt mit sich

Romantisierung von toxischen Beziehungen: Ein Schritt zurück

Da ist der Bad Boy, der das Mädchen schlecht behandelt und sie nicht an sich heranlässt. Aber sie schafft es: Sie kann ihn ändern und er verliebt sich in sie. Da ist der gutaussehende arrogante Unternehmer, der seine Freundin physisch und psychisch missbraucht. Aber durch sie kann er sein Trauma überwinden und beginnt sie zu lieben. Und da ist der Vampir, der Bella stalkt und kontrolliert – und all das unter dem Deckmantel des liebevollen Beschützers. All diese Geschichten haben etwas gemeinsam: Sie romantisieren toxische Beziehungen. Und das ist sehr problematisch.

Toxische Beziehungen: Was ist das überhaupt?

Eine Beziehung ist dann toxisch, wenn sie einer der Personen nicht gut tut und sie krank macht. Oftmals entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, das von Manipulation und Kontrolle geprägt ist. Menschen, die in toxischen Beziehungen gefangen sind, suchen das Problem bei sich selbst und idealisieren ihre Partner*innen.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Feminismus immer mehr zum Thema wird. Gleichberechtigung und Female Empowerment sind das Ziel. Geschichten, die toxische Beziehungen romantisieren, haben da wenig Platz. In After Passion will Tessa sich ändern. Aber nicht für sich selbst, sondern für ihren Freund Hardin. Als sie ein Jobangebot in einer anderen Stadt bekommt, ist da keine Freude. Die einzige Frage, die sie beschäftigt: Was ist jetzt mit Hardin? Das ist nicht sehr feministisch – wenn nicht sogar anti-feministisch.

Belohnung: Liebe

Aber Tessa bleibt bei Hardin. Genauso wie Ana in 50 Shades of Grey bei Christian bleibt und Bella in Twilight bei Edward. Trotz Demütigung und Streitigkeiten. Und im Falle von Ana und Christian sogar trotz körperlichen Missbrauchs. Und die Belohnung am Ende der Geschichte: Liebe. Naheliegend, dass viele junge Menschen da bei ihren Partner*innen bleiben, obwohl sie toxisch sind. Weil sie denken, dass sie sie doch noch irgendwie ändern können. Klappt in den Romanen ja auch. Dass Liebe eigentlich umsonst sein sollte, wird einfach ausgelassen.

Physische und psychische Gewalt sind in der Realität ein ernstzunehmendes Thema – und das ist alles andere als romantisch. Laut einer aktuellen Statistik zur Partnerschaftsgewalt registrierten die Behörden im vergangenen Jahr bundesweit 146.655 Fälle, in denen ein aktueller oder ehemaliger Partner Gewalt ausübte oder dies versuchte. Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ergab außerdem, dass jede sechste Frau von psychischer Gewalt in der Beziehung betroffen ist.

Leicht beeinflussbare oder labile Leser*innen suchen in der Fiktion nach Identifikation und Handlungsanleitung. Toxische Beziehungen und veraltete Rollenbilder werden auf die Realität übertragen und mit ihr verglichen. Frauen wollen dominiert werden, richten ihr Leben nach ihrem Freund aus, lassen sich viel gefallen, denn Männer sind halt so. Männer wollen dominieren und sollen es auch. Platz für Schwäche bleibt da keiner.

Dieses Bild von Beziehung ist ein Schritt zurück. Ein Rückzug aus unserer liberalisierten Liebeswelt. Nur sind es jetzt nicht mehr die gesellschaftlichen Konventionen, die den Beziehungen ihre Freiheit nehmen. Es sind die internen Konflikte mit uns selbst. Ist das wirklich das Bild, das wir im Jahr 2022 von Liebe haben wollen?

Natürlich bleibt Fiktion etwas Erfundenes und natürlich werden Sachverhalte überspitzt dargestellt. Man kann argumentieren, dass Zuschauer*innen durch diese Geschichten ihre eigene Situation reflektieren. Dass ihnen vor Augen geführt wird, was in der eigenen Beziehung falsch läuft. Aber sich darauf zu verlassen scheint utopisch.

Denn die Romantisierung von toxischen Beziehungen bleibt, was es ist: Ein Schritt zurück.

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Bildquelle:  Liza Summer auf Pexels