Eine Idee Liebe: Absolute Beginners
Klar, zunächst einmal könnte man aufgeklärt und rational antworten.
Ist doch kein Problem. Manche Menschen sind beispielsweise asexuell und haben gar keine Lust auf Sex. Doch darum soll es heute nicht gehen. Denn, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, Sex begegnet uns in unserer Gesellschaft an jeder Ecke. Egal ob Werbung, Filme, Musik oder in der Literatur. Er ist überall.
Das kann bei Leuten, die noch keine Erfahrungen in die Richtung gemacht haben, einen unglaublichen Druck erzeugen. Solche Menschen nennt man „Absolute Beginners“ (AB). Also Personen, die eigentlich gerne intime Beziehungen führen würden, es aber nicht schaffen und darunter sehr leiden.
Der Begriff trifft auf jede*n zu, die oder der über 20 ist und noch keine Beziehung oder Sex hatte. Wie auch immer man Sex hier definieren mag. Das entscheidende Kriterium ist jedoch der Leidensdruck.
Die Autorin Maja Roedenbeck hat das Buch „Und wer küsst mich?“ über ABs geschrieben und schätzt, dass es ungefähr ein bis zwei Millionen in Deutschland sind. Offizielle Zahlen gibt es nicht.
Das ist eine ganze Menge und trotzdem wird in unserer Gesellschaft kaum über das Thema gesprochen. Weil es tabuisiert wird. Denn Sex zu bekommen ist doch scheinbar so einfach. Es ist der Normalfall, dass man in die Pubertät kommt, die Hormone einschießen und man ganz einfach jemanden findet. Dann verliebt man sich vielleicht, der erste Liebeskummer kommt und so weiter. Doch stimmt das überhaupt? Nein, natürlich nicht, denn auch flirten muss man lernen.
Unter den Betroffenen finden sich mehr Männer als Frauen, woran liegt das?
Beziehungstherapeuten zufolge basiert dieses Problem insbesondere auf unserer Art Beziehung und Dating zu denken. Männer müssen den ersten Schritt machen. Männer sind dominant und Männer sind auch diejenigen, die Sex initiieren. Die Strukturen sind patriarchal und das ist nicht nur für Frauen nachteilig.
Was ist beispielsweise mit Männern, die eher introvertiert sind? Männer, die sich nicht trauen den ersten Schritt zu machen und deswegen kaum wahrgenommen werden? Stille Wasser sind tief.
Gerade schüchternen Männern fällt das Dating in unserer extrovertierten Gesellschaft oft schwer. Wer nicht gesehen wird, der bekommt auch keine Dates. Und so doof wir alle die Bilder von Sixpacks auf Tinder und Co. auch finden. So ein Bild sagt uns zumindest eins: Der Kerl ist nicht zurückhaltend.
Absolute Beginner hingegen fühlen sich häufig, als hätten sie die Abzweigung verpasst. Als hätten alle anderen den Weg aus dem Labyrinth der Jungfräulichkeit herausgefunden und sie würden sich immer nur im Kreis drehen. Das Thema ist mit einer ganzen Menge Scham besetzt und wer sich doch traut sich zu öffnen, der muss häufig unangenehme Fragen über sich ergehen lassen.
Doch Aussagen wie: „Warum hast du denn noch keine Freundin? Du bist doch ein echt netter Kerl“, oder „Du musst einfach mal ein bisschen mutiger werden, dann kommt die Richtige schon“, sind leider absolut nicht hilfreich. Denn sie nehmen weder das Problem ernst, noch bieten sie eine wirkliche Lösung an. Viele ABs ziehen sich also lieber zurück und versuchen Gesprächen zu Beziehungen und Sex aus dem Weg zu gehen. Die Folge: Soziale Isolation. Auch nicht besonders hilfreich bei der Partner*innensuche.