Kühe im Stall

Fütterer is(s)t anders: Speziesismus

Elina Fütterer ist Ökotrophologin, Yoga-Lehrerin und Surfer Girl. In ihrer Kolumne schreibt sie über die wichtigste Hauptsache der Welt: Essen. Genuss ist ein Muss – ohne dabei Gesundheit, Nachhaltigkeit und Ethik außer Acht zu lassen. Elina nimmt euch mit auf ihre kulinarische Reise.

Da ich aufgrund der Tierhaarallergie meines Vaters als Kind nie ein “richtiges” Haustier haben konnte, war meine erste Amtshandlung nach meinem Einzug in die erste eigene Wohnung: Ein Kaninchen. Kein Wunder, dass Zwergkaninchen Frida meine ganze Aufmerksamkeit – und Liebe – zu spüren bekam: Auf ihrem Speiseplan stand ausschließlich das beste Bio-Gemüse, sie durfte frei herumhoppeln und hat so viele Streicheleinheiten bekommen, wie sie – und ich – wollte.

Während ich mich um Frida kümmerte wie um ein Baby, genoss ich weiterhin meinen Milchkaffee zum Frühstück und feierte meine neuen, schicken Leder-Boots – und fand das ganz normal. Erst als ich begann, mich für vegane Ernährung zu interessieren, fragte ich mich, wieso es eigentlich normal ist, einige Tiere für unseren Konsum zu nutzen – und andere wie Familienmitglieder zu behandeln.

Wie ich herausfand, ist dieses Phänomen ein tiefgreifendes Problem unserer Gesellschaft, das einen Namen hat: Speziezismus.

Der Mensch als Krone der Schöpfung?

Bereits vor 50 Jahren wurde der Begriff Speziezismus vom britischen Psychologen Richard Ryder geprägt. Genau wie Rassismus und Sexismus ist auch Speziezismus eine Form der Diskriminierung. Während Rassist:innen glauben, sie seien Menschen anderer Ethnizität überlegen und Sexist:innen denken, sie seien anderen Geschlechtern überlegen, sind Speziest:innen der Meinung, sie seien anderen Spezies überstellt.

In Bezug auf den Menschen bedeutet das, dass er sich anderen Spezies überordnet und Tiere für seine Bedürfnisse ausbeutet. Wobei man bedenken sollte, dass es sich dabei heutzutage nicht mehr um Bedürfnisse handelt, die für uns notwendig, geschweige denn lebenswichtig, sind. Wir brauchen keine tierischen Lebensmittel, um uns gesund ernähren zu können. Wir brauchen weder Leder noch Daunen, um funktionsfähige Kleidung herzustellen. Und wir brauchen keine Zoos oder Delfinshows, um uns zu amüsieren.

In unserer Gesellschaft wird die Unversehrtheit der Menschen großgeschrieben: Körperverletzung oder Mord werden mit hohen Strafen geahndet. Ähnlich verhält es sich auch mit der Misshandlung von Tieren. Stichwort: Tierschutzgesetz. Zweck dieses Gesetzes ist „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen“. Ein genauerer Blick zeigt allerdings, dass dieses Gesetz an sich tief speziesistisch ist. Denn solange das Quälen und Leiden von Tieren einen Nutzen für den Menschen haben, erlaubt das Gesetz sie.

Der Mensch hält sich für klüger und stärker. Aber: Jedes Tier verdient grundlegende Rechte – das Recht auf Leben, auf Freiheit und auf Unversehrtheit.

Nutztier vs. Haustier: Was ist der Unterschied?

Es geht gar nicht um die Unterschiede zwischen uns und Tieren, sondern darum, was wir mit ihnen gemeinsam haben: Die Fähigkeit, Leid und Schmerz zu empfinden.

Jede:r, der oder die schonmal ein Haustier hatte, weiß: Diese Tiere haben ganz eigene Persönlichkeiten und Bedürfnisse. Häufig werden sie behandelt wie Familienmitglieder: Wenn es ihnen schlecht geht, leiden wir mit und tun alles, damit es ihnen schnell wieder gut geht. Andersherum spüren unsere Schützlinge auch, wenn es uns mal schlecht geht – und versuchen, uns zu trösten. Darum würde es Hundebesitzer:innen auch im Traum nicht einfallen, Hundefleisch zu essen – bei einer Hähnchenkeule geht das allerdings ganz ohne Skrupel.

Mein Vater hat Fleisch, aber nie Lammfleisch gegessen (“Die süßen Lämmchen”), meine Mama war früher begeisterte Reiterin und ihr würde im Traum nicht einfallen, ihr Butterbrot mit Pferdesalami zu belegen. Und als eine Freundin von Hundefleisch auf einem asiatischen Food Market berichtete, haben alle meine Freund:innen mit angeekeltem Gesichtsausdruck reagiert.

Wir sprechen manchen Tieren mehr Rechte zu als anderen. Viele Tiere sind dabei eher negativ konnotiert: Schweine (dreckiges Schwein), Hühner (dummes Huhn) oder Kühe (dumme Kuh). Wir genießen ihr Fleisch, ihre Eier und ihre Milch und verwenden darum auch gerne den Begriff “Nutztier”. Das wertet die Tiere ab und macht es für uns einfacher, Salami, Eier oder Steak in den Einkaufskorb zu packen. Allerdings haben auch diese Tiere genau dieselben Bedürfnisse wie unsere Haustiere – und es gibt absolut keinen Grund für diese Ungleichbehandlung. Auch Kühe fühlen Schmerz und leiden, wenn ihre Kälber nach der Geburt von ihnen getrennt werden. Und ich bezweifle stark, dass “Nutz”-Tiere gerne für uns eingesperrt ihr Leben verbringen, um dann geschlachtet zu werden und als Konsumgut auf unserem Teller zu landen. Außerdem ist die Einteilung in Nutz- und Haustiere absolut willkürlich. Während bei uns die Kuh als Nutztier gilt, würde in anderen Kulturen niemand auf die Idee kommen, sie einzusperren – geschweige denn zu töten. 

Nein zu Speziezismus

Speziesismus passiert wie Rassismus häufig gar nicht gewollt oder absichtlich – ist allerdings fest in unserem Alltag verankert. Um aus den ungerechten Mustern unserer Gesellschaft ausbrechen zu können, müssen wir unser Verhalten ändern.

Was du zum Beispiel dagegen tun kannst?

  1. Gib veganer Ernährung eine Chance.
  2. Achte auf tierversuchsfreie Kosmetika und Haushaltsprodukte.
  3. Setze auf Kleidung, die aus tierfreundlichen Alternativen hergestellt wird.

Unsere sogenannten Nutztiere sind Lebewesen. Sie empfinden Schmerz und wollen – genau wie unsere Haustiere – geliebt werden. Die trauriger Wahrheit ist allerdings, dass sie in den meisten Fällen unter grausamsten Bedingungen gehalten und misshandelt werden – und das für ein Produkt, das wir nicht brauchen.

Keine Eigenschaft des Menschen kann rechtfertigen, andere Lebewesen auszubeuten.

Moralisches Handeln ist zwar eine Eigenschaft, die wir tatsächlich seltener bei Tieren sehen als bei uns. Aber sollte nicht genau diese Fähigkeit der Grund dafür sein, andere Spezies nicht zu unterdrücken und auszubeuten?

Gleich weiterlesen:

Bildquelle: Annie Spratt auf Unsplash; CC0-Lizenz